Ausstattung - Technische Daten - Auflösung - Verzeichnung / Vignettierung / Farbsäume - Konstrast - Fokussierung - Handhabung - 100%-Bildbeispiele - Fazit - Links - Leserkommentare
Traumflieger-Test im RAW-Format an der EOS 5D Mark II
Zeiss Otus 55mm / 1,4 im Test
Das lt. Zeiss weltbeste Standardobjektiv zeigt im Traumflieger-RAW-Test, das auch mit sehr lichtstarken f1,4-Linsen herausragende Leistungen bereits bei Offenblende möglich sind. Der Haken an der Sache: es ist sehr teuer, schwer und bietet nur manuellen Fokus.
Dieser Test-Report überarbeitet und ergänzt den hier vormals gelisteten Technikreport
Mit den Otus-Objektiven zielt Zeiss auf die Fotografen ab, für die ausschließlich die Abbildungsleistung zählt, die dafür dann aber auch bereit sind, auf Features wie Autofokus und Bildstabilisierung zu verzichten.
Entsprechend ist der selbstformulierte Anspruch von Zeiss, die Abbildungsleistung des Mittelformates am Kleinbildsensor zu erreichen. Wir haben den Test mit der Canon-Version (Otus 55mm / 1,4 ZE) an der Canon EOS 5D Mark II gemacht, die vergleichbar zur EOS 5D Mark 3 auflöst. Nachreichen möchten wir dann später noch einen Test an den 50-Megapixelboliden EOS 5Ds / 5DsR.
Ausstattung
Das Zeiss Otus 55mm/1,4 eignet sich als Normalbrennweite besonders für die Architektur-, Reportage- und Street-Fotografie. Dabei ist es dank seiner hohen Lichtstärke von f1,4 auch bei kritischeren Lichtverhältnissen und in der Available-Light- und Nachtfotografie gut einzusetzen. Aufgrund der geringen Schärfentiefe bei f1,4 lassen sich zudem Objekte sehr klar vom Hintergrund freistellen, was vor allem für Porträts vorteilhaft sein kann.
Der optische Aufbau des Otus umfasst zwölf Elemente in zehn Gruppen, darunter sechs Elemente aus Sonderglas mit anormaler Teildispersion sowie rückwärtig eine asphärische Linse. Erstmals hat Zeiss bei der Konstruktion einer Standardbrennweite die Distagon-Bauweise verwendet, die bis dato nur für Weitwinkel zum Einsatz kam. Durch die daraus resultierende längere Bauform, in Kombination mit den verwendeten Glaselementen, verspricht sich Zeiss ein Höchstmaß an Bildkontrast und eine bessere Korrektur von Aberrationen sowie Verzeichnungen bereits bei Offenblende bis in die Bildrandbereiche.
Zudem wurde das Otus 55mm im Floating Elements Design gebaut. Dabei verschieben sich die inneren Linsen abhänging von der Fokuseinstellung zueinander. Somit sollen auch entferungsabhängige Bildfehler besser korrigiert werden können.
Da das Objektiv nicht mit einem Autofokus-Motor ausgestattet ist, erfolgt die Fokussierung rein manuell.
Nur bei der Nikon-Version (ZF 2) wird auch die Blende über einen manuellen Blendenring eingestellt, bei der Canon-Version (ZE) steuert die Canon DSLR die Blende.
Das Gehäuse ist aus Metall gefertigt. Ein Staub- oder Spritzwasserschutz ist nicht vorhanden.
Im Lieferumfang befindet sich neben Schutzdeckel für Front- und Rücklinse noch eine Streulichtblende.
Technische Daten
UVP / Strasse (01/2015) |
3.499 EUR. / 3.499 EUR (kaufen hier bei Amazon) |
Markeinführung |
Herbst 2013 |
Gewicht |
1.030gr |
Bajonett |
Canon EF (ZE) und Nikon (ZF.2) |
Brennweite |
55mm |
Naheinstellgrenze |
50cm |
Abbildungsmaßstab |
0,15 |
optische Elemente |
12 Linsen in 10 Gruppen |
Filteranschluß |
77mm |
Anzahl Lamellen |
9 |
Blendenumfang |
f 1,4 - f 16 |
Bildstabilisierung |
nein |
AF-Motor |
nein |
Größe |
83 x 144mm (Durchmesser x Länge mit Deckeln) |
Lieferumfang |
Frontdeckel, Rückdeckel, Streulichtblende |
Besonderheiten |
kein AF-Betrieb, bei der Nikon-Version findet sich ein manueller Blendenring (bei Canon wird die Blende über die Kamera gesteuert), T*-Antireflexions-Beschichtung |
Auflösung (Vergleich zu anderen 50mm-Brennweiten)
Getestet mit der Canon EOS 5D Mark 2 im RAW-Format mit Adobe Lightroom ab Vers. 5.7.1 bei Standardeinstellungen jedoch mit der Prozeßversion 2003 entwickelt. Wir nutzen hierfür ein Testchart im 3:2-Format . Wertangaben in Linien je Bildhöhe nach MTF50. Max.-Wert = 2.662 Linien (am Canon 180mm/3,5). Mess-Software Imatest. Nicht kompatibel zu Messungen für Canon APS, Samsung NX, Sony und m4/3, da wir an der 5D Mark 2 unter Lightroom aus historischen Kompatibilitätsgründen die etwas weniger hochauflösende Prozessversion 2003 und im Testchart einen anderen Abschnitt auslesen.
Das Otus setzt sich mit durchschnittlich 2.240 Linien klar gegenüber ähnlichen 50mm-Brennweiten für Canon DSLR in Front. Besonders die Offenblende bringt im Zentrum und erweiterten Zentrum eine hervorragende Auflösung, auch wenn sie im Randbereich etwas abfällt. Ab f2,8 lässt sich praktisch durchgehend eine herausragende Schärfe bis in den Randbereich erzielen.
Verzeichnung, Vignettierung & Farbsäume
Verzeichnungen sind am Otus praktisch nicht erkennbar. Nur am Testchart ist noch eine minimalste tonnenförmige Verzeichnung zu sehen, die aber in der Praxis selbst an kritischen Architektur-Motiven keine Rolle spielen dürfte. Randabdunkelungen sind bei Offenblende mit 2,2EV auffällig, minimieren sich aber bereits bei f2 auf weniger als 1EV und sind ab f4 dann nicht mehr nachweisbar.
Farbsäume sind mit einer Breite von bis zu 4 Pixeln zwar noch erkennbar aber nicht allzustark ausgeprägt.
Dank Korrekturprofil kann man sich der Bildfehler mit einem Klick in Lightroom bzw. im RAW-Dialog von Photoshop entledigen.
Kontrast-Abbildung (Vergleich zu anderen 50mm-Brennweiten)
Bei der Kontrastwiedergabe im Gegenlicht zeigt das Otus seine Stärken. Hier sind die Gebäude im Gegenlicht praktisch nicht durch Streulicht gedämpft abgebildet, wie dies beim Canon 50mm/1,2L USM bzw. am Canon 50mm / 1,4 USM der Fall ist (Aufnahmen jeweils mit f16, RAW).
Fokussierung & Bildstabilisator
Wie soll der Canon-User mit dem Otus bloß sauber scharfstellen? Es bietet leider keinen Autofokusmotor und durch den optischen Sucher ist es oft nicht leicht, die enge Schärfenebene abzupassen. Letzteres gilt natürlich insbesondere für die Offenblende. Da aber das Otus an Canon DSLR ein AF-Bestätigungssignal abgibt, wenn man während des manuellen Fokussierens den Auslöser halb gedrückt hält, läßt sich die Schärfe ebensogut wie mit einem AF-Antrieb einstellen. Mit etwas Übung kann man ebenfalls eine hohe Scharfstellgeschwindigkeit erzielen. Alternativ kann der Anwender aber auch auf eine Liveview-Monitor-Lupe ausweichen, um diese für den Fokusvorgang bei 5x oder 10x-Zoom zu nutzen.
Während Sony, Panasonic und Olympus* an ihren Systemkameras zumindest teilweise einen kamerainternen Bildstabilisator realisiert haben, fehlt dieser (derzeit) bei Canon, so dass der Anwender auf einen Verwacklungsausgleich verzichten muß. Das ist allerdings derzeit auch an anderen Normalbrennweiten der Fall, die - wie das Otus - keinen optischen Bildstabilisator mitbringen.
*Ein IBIS (in body image stabilizer) ist an der Sony A7 II, Panasonic GX7, bei Olympus z.B. an der OMD EM5 (I + II), EM1 verbaut
Handhabung und Fertigungsqualität
Knapp 1KG sind am Otus zu stemmen. Da man allerdings regelmässig die zweite Hand unterstützend für den Fokusvorgang einsetzt, balanciert sich das Zeiss-Objektiv auch an etwas leichteren Modellen wie einer EOS 6D oder 5D II noch gut aus. Nur einhändig wird es dann etwas kopflastig.
Die Fertigungsqualität ist über jeden Zweifel erhaben. Das Otus ist komplett aus Metall gearbeitet und alle Bauteile wirken in sich fest integriert. Auch die im Lieferumfang enthaltene Streulichtblende ist aus Metall gefertigt. Sie läßt sich zum Transport auch verkehrtherum aufstecken.
Ausser eine Distanzskala incl. Markierung des blendenabhängigen Schärfentiefebereichs (und einer Markierung für IR-Fotografie) finden sich ansonsten keine Schalter oder Funktionstaster am Otus. Überraschenderweise fehlt der Distanzanzeige eine Plexiglas-Blende, die den Innentubus vor Verunreinigungen hätte schützen können. Zeiss wollte aber offenbar einen gewissen Purismus und besonders klar ablesbare Beschriftungen realisieren. Der breit gummierte Scharfstellring bietet einen butterweichen Lauf und weiten Einstellweg von rund 250 Grad. Gegen Unendlich wird der Weg dann kürzer, aber auf geringe Distanzen - wie man sie z.B. bei Portraits etwa aus 1,50m Entfernung nutzt - steht reichlich Einstellweg bereit.
Das Otus lässt sich nicht per Anschlag auf Unendlich scharfstellen, sondern will eine Idee vor der Markierung zur Ruhe kommen. Zeiss begründet dies mit möglichen, temperaturabhängigen Materialdehnungen, so dass in jedem Fall die Unendlichkeitsstellung erreichbar bleiben soll.
Ein Wetterschutz fehlt, zumindest macht Zeiss dazu u.W. keine Aussage und wir finden auch keine Gummiabdichtung am Bajonett.
100%-Bildqualitätsvergleich (RAW)
Nachfolgend einige voll aufgelöste Testbilder des Otus 55mm/1,4 mit der Canon EOS 5D Mark 2 (vergleichbar zur EOS 5D Mark 3), die wir im RAW-Format mit Adobe Lightroom bei Standardeinstellung entwickelt haben. Hier finden Sie alle Testbilder für Traumflieger-Mitglieder.
Hier finden Sie alle Testbilder für Traumflieger-Mitglieder
Fazit
Zeiss liefert in der Tat eine unglaubliche Detailzeichnung bereits bei der großen f1,4-Offenblende ab, wie man sie ansonsten derzeit so bei Canon an keinem anderen, vergleichbar lichtstarken Standard-Objektiv um 50mm herum geboten bekommt. Genauso hervorragend arbeitet das Otus in Gegenlichtsituationen, bei denen ansonsten Streulicht den Kontrast dämpft, was aber an der Zeiss-Linse praktisch kein Thema ist.
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Muskeln spielen: Zeiss lässt mit dem Otus die Muskeln spielen und zeigt, was im Objektivbau auch bei sehr lichtstarken Objektiven möglich ist. Ich werde mir allerdings das Otus nicht leisten, dafür ist es mir dann doch eine Spur zu voluminös und schwer. Vor allem aber zu teuer.
Absolute Qualitätsfans werden aber ggf. auch im Hinblick auf eine 50 Megapixel-auflösende EOS 5Ds / 5DsR vielleicht darüber nachdenken, denn spätestens dann werden die Objektive richtig gefordert.
Eine kostengünstigere 5Ds-Alternative ist nach meiner vorläufigen Einschätzung die Sony A7R mit einem via Adapter kombinierten Sigma 50mm / 1,4 Art, bei dem ähnliche Auflösungen und ggf. sogar noch etwas mehr Offenblend-Randschärfe zu erwarten sind. Letzteres zeigte sich zumindest an der Sony A7R im direkten Vergleich Sigma 50mm/1,4 Art zum Otus 55mm/1,4 (jeweils Canon-Versionen adaptiert).
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Wer jetzt absolute Perfektion erwartet sieht sich aber dennoch mit leichten Unschärfen im äusseren Randbereich bei Offenblende bzw. bis f2 konfrontiert. Vignettierungen bzw. dezente Farbsäume sind ebenfalls nicht vollständig ausgemerzt. Dennoch wird man derzeit kein zweites Objektiv finden, das bei dieser Lichtstärke eine derart hohe, optische Leistung vereint.
Canon-Anwender können an der ZE-Version die Blende direkt in der Kamera ändern, während Nikon-User dafür an der ZF.2-Variante den Blendenring nutzen oder auf f16 parken. Die Exifdaten werden weitergereicht und Canon-Fotografen können sich immerhin als Scharfstellhilfe am AF-Bestätigungston orientieren. Trotzdem bleibt es bei einem gewissen Purismus, denn es fehlt der Komfort eines Aufofokus-Antriebs, der auch für schnelle Serienbildaufnahmen meist Voraussetzung ist.
Der Käufer darf sich nicht nur auf eine extrem gute Haptik und Fertigungsqualität freuen sondern muß bei einer UVP von 3.499 EUR dafür auch bluten. Unterm Strich werten wir vor allem die herausragende optische Leistung, ziehen aber einen halben Stern von der Höchstnote wegen fehlenden Wetterschutzes und rein manuellen Fokusbetriebes in der Gesamtwertung ab.
- sehr hohe Fertigungsqualität
- mit f1,4 eine hohe Lichtstärke
- breit übersetzter, butterweich und leise laufender Scharfstellring mit Distanzskala
- Frontlinse und Tubus drehen nicht
- sehr gute Auflösungsleistung bereits bei Offenblende
- hervorragende Kontrastwiedergabe in Gegenlichtsituationen
- edle Streulichtblende im Lieferumfang enthalten
- bei Canon akustische Fokusbestätigung beim manuellen Scharfstellen (halber Auslöserdruck)
- relativ hohes Gewicht, einhändiger Einsatz ist schwierig
- sehr teuer
- weder AF-Motor noch integrierter Bildstabilisator
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weiterführende Links