Die Ausbeute an gestochen scharfer Aufnahmen ist gewöhnlich vor allem bei bewegten Motiven in der Natur nicht besonders hoch. Eine Vielzahl an Faktoren sind zu meistern, um zu einem gelungenen Foto zu kommen. Ein wichtiges Kriterium dürfte hier die Wahl des Objektives sein, denn wohlmöglich leidet die Aufnahmequalität zu allererst durch Einsatz weniger hochwertig verarbeiteter Linsen.

Dieser naturnahe Praxistest stellt die Frage, ob die hochpreisigen L-Objektive von Canon auch die zu erwartende Leistungsstärke im Vergleich zu den weniger teuren Kandidaten aus gleichem Hause bzw. gegenüber einem Objektiv von Sigma zeigen und welche Features sich als besonders hilfreich erweisen.

Einen Monat lang ging es für diesen Test über Wiesen, Felder und durch Waldgebiete, um relativ spontan interessante Motive abzulichten. Vergleichsaufnahmen wurden mit den nachfolgend aufgeführten Objektiven und Telekonverter geschossen:

Bezeichnung

Gewicht

Baulänge

Nahgrenze Filtergrösse günstigster Preis

Canon 300 mm / 4,0 L IS USM 1.190 gr 22,1 cm 1,50 m 77 mm EUR 1.199

Canon 100 - 400 mm / 4,5 - 5,6 L IS USM 1.360 gr 18,9 cm 1,80 m 77 mm EUR 1.438

Canon 70 - 200 mm / 4,0 L USM 710 gr 17,2 cm 1,20 m 67 mm EUR 643
Canon 70 - 200 mm / 2,8 L IS USM 1.570 gr 19,7 cm 1,40 m 77 mm EUR 1.722

Canon 100 - 300 mm / 4,5 - 5,6 USM 540 gr 12,2 cm 1,50 m 58 mm EUR 298
Sigma 135 - 400 mm / 4,5 - 5,6 RF Apo Asph. 1.210 gr 18,1 cm 2,20 m 77 mm EUR 392
             
Canon Tele-Extender EF 1,4x II 220 gr 2,7 cm - - EUR 319
Canon Tele-Extender EF 2,0 II 265 gr 5,7 cm - - EUR 319
Kenko Teleplus SHQ C-AF 1,5 100 gr 1,7 cm - - EUR 87

1. Ausgepackt: Ersteindrücke, Features und Feeling

Canon 300 mm/4,0 L IS USM

Dieses längste Objektiv im Testfeld ist grundsolide - wie ebenfalls die übrigen L-Optiken - durch die spritzwassergeschütze Metallummantelung gebaut und die breite Gummierung für die manuelle Fokussierung liegt hervorragend im Griff. Eine umfangreiche Schaltersektion bietet weitgehende Einstellfunktionen: zwei Schalter zur Handhabung des Bildstabilisators, mit denen er aktiviert bzw. deaktiviert wird und zur Umschaltung in zwei unterschiedliche Modi. Der Modus 1 dient für normalen Gebrauch aus der Hand während der Modus 2 bei horizontalem Mitziehen der Kamera angewandt wird. Neben dem obligatorischen AF-MF-Schalter findet sich einer zur Umschaltung der Naheinstellgrenze von 3 m auf 1,50 m.

Das Objektiv ist mit seinen 1.190 gr. noch angenehm im Handling und macht eine optional erhältliche Stativschelle zumindest aus Gewichtsgründen entbehrlich - das Bajonett der Kamera verkraftet diese Last vom Stativ auch ohne Befestigung am Objektiv relativ klaglos. Die grosse Baulänge macht sich am Hals allerdings manchmal etwas störend bemerkbar.

Als Besonderheit fällt die im Gehäuse integrierte, ausziehbare Sonnenblende positiv auf. So lässt sich störendes, kontrastminderndes Streulicht mit einem Handgriff eliminieren.

Canon 100 - 400 mm / 4,5 - 5,6 L IS USM

Man braucht schon riesige Pranken, um dieses Objektiv mit den Händen ganz umschliessen zu wollen. Nicht nur Gewicht, sondern auch der grosse Umfang geben diesem Objektiv ein eindrucksvolles Erscheinungsbild.

Als aussergewöhnlich kann die Brennweitenverstellung bezeichnet werden, denn das Objektiv wird hierfür nicht gedreht, sondern auseinandergezogen. Dieser als Schiebezoom bezeichneten Besonderheit wurde ein separater Einstellring spendiert, womit die auszuübende Zugkraft von leicht bis fest eingestellt werden kann.

Wofür der Begriff "L" steht

 

Canon Deutschland spricht im Zusammenhang mit der L-Klasse von Low Dispersion (spezielle Glassorten und Schliff sorgen dafür, dass keine Farbsäume - die sogenannte chromatische Aberration - entstehen bzw. reduziert werden)

Umgangsprachlich steht das L bei Canon auch für luxery - die Luxusklasse in Ausstattung und Bauqualität

 

Die letztere Position verhindert zuverlässig ein Ausfahren des Tubus, falls die Kamera samt Objektiv am Hals getragen wird oder fixiert ihn bei nichthorizontalen Aufnahmepositionen. In der Praxis fiel der nahe der Frontlinse positionierte Fokussierring zumindest für Aufnahmen aus der Hand ein wenig störend auf: wenn  der Tubus auf volle Brennweite von 400 mm ausgezogen wurde, muss der Arm einen recht weiten Winkel einnehmen, um die Finger am Fokussierring positionieren zu können und gleichzeitig das Objektiv abzustützen. Dies wirkt sich schnell ermüdend auf die Armmuskulatur aus.

Im Lieferumfang befindet sich neben dem hochwertigen Köcher auch eine Sonnenblende.

Canon 70 - 200 mm / 4,0 L USM

Spürbar leichter, dabei jedoch keineswegs einen unsoliden Eindruck hinterlassend, vermittelt auch dieses Objektiv das "L-Feeling": Breite Gummierung für manuelle Fokussierung bzw. Brennweitenverstellung liegen bestens im Griff und bieten ein angenehm leichtgängiges, sehr präzises Handling.

Die durchgängige Blende von F 4 über alle Brennweitenbereiche spendiert der Endbrennweite von 200 mm eine ebenfalls gute Lichtstärke. Auch hier wird neben der Sonnenblende ein Köcher mitgeliefert.

Canon 70 - 200 mm / 2,8 L IS USM

Das sehr lichtstarke Objektiv bei durchgehender Blendenzahl von 2,8 zollt dieser Zielvorgabe mit seinem hohen Gewicht Tribut. Auch hier gilt offenbar die Regel für L-Objektive, wonach jedes Gramm mit etwa einem Euro bezahlt wird. Bei etwas über drei Pfund trainiert diese Linse nicht nur die Armmuskeln, sondern fordert einen auch finanziell heraus.

Um das Bajonett der Kamera zu schonen und dem System aus Kamera und Objektiv Stabilität zu verleihen, wird die optional erhältliche Stativschelle Pflicht - eine zusätzliche Schnellwechselplatte sollte hierfür ergänzend eingeplant werden.

Im übrigen gilt auch für diese Linse nicht nur die sehr solide Verarbeitung, breite und angenehm im Griff liegende Gummierung, sondern auch der übliche Lieferumfang mit hochwertigem Köcher und Sonnenblende. Die ansonsten etwa 125 Euro teuere Stativschelle wird ebenfalls mitgeliefert.
 

helles Design der L-Serie ein Vorteil ?


Zugegeben, das hellgraue Design der L-Serie signalisiert hohe Fertigungsqualität und grenzt diese Objektive farblich zu den üblicherweise schwarzen Gehäusen anderer Serien bzw. Hersteller ab.
Für Einsatzzwecke im Naturbereich dürfte diese Färbung jedoch eher nachteilig sein und ein unauffälliges Vorgehen in der Wildlife-Fotografie erschweren. Zumindest in schneefreien Gebieten bietet sich hier die Anbringung eines Faserklebebands in Tarnfarben an.

Nicht unerwähnt soll hier jedoch der Vorteil des hellen Designs sein, dass bei Erwärmung durch Sonneinstrahlung die Materialausdehnung verringert wird.
 

Canon 100 - 300 mm / 4,5 - 5,6 USM

Als vergleichsweise klein und leicht, dafür sehr handlich und dennoch einen soliden Eindruck hinterlassend bietet dieses Objektiv mit seinem Ring-USM (= Ultraschallmotor) nicht nur Vollzeiteingriff auf die Fokussierung, eine geringe Geräuschentwicklung sondern auch eine hohe Geschwindigkeit im Autofokusbetrieb.  Wenn auch keine echte Innenfokussierung angeboten wird, so dreht die Frontlinse dennoch bei Brennweitenveränderung nicht mit.

Insgesamt macht auch dieses Objektiv einen sehr wertigen Eindruck.

Sigma 135 - 400 mm / 4,5 - 5,6 Apo

Dieses relativ preisgünstige Objektiv deutet mit seinem Gewicht von 1.210 gr. an, dass hier eine massive Konstruktionsweise vorliegt. Dass hier nicht auf schlichte Weise, schwergewichtige Bauteile lieblos zusammengeschraubt wurden, zeigt die präzise und dennoch leichtgänge Verstellmöglichkeit von Brennweite und manueller Fokussierung. Bei diesem Objektiv klappert nichts und alle Bauteile greifen stimmig ineinander. Griffige Gummierungen und Lieferzubehör wie Stativschelle und Köcher komplettieren den hochwertigen äusseren Eindruck.

Im Gegensatz zum Canon 100-400 mm fiel der Fokussiering in Nähe des Bajonetts angenehm auf. So lässt sich das Objektiv relativ lange abstützen, ohne das Ermüdungserscheinungen der Armmuskulatur die Halteposition allzuschnell beeinträchtigen. Der Fokussierring ist dabei so leichtgängig, dass er sich leicht mit dem Daumen bedienen lässt. Ein Vorteil in rasanten Aufnahmesituation, der allerdings zu Lasten der Präzision gehen kann.

Angesichts des günstigen Preises dürfte das ungewollte Ausfahren des Tubus bei Umhängen der Kamera um den Hals zu verschmerzen sein. Etwas störend machte sich allerdings der doch vergleichsweise laute Mikromotor des Autofokus bemerkbar.

Telekonverter

mit feinen Wildlederbeuteln werden die Telekonverter von Canon ausgeliefert. Nicht nur das Erscheinungsbild, auch die Passgenauigkeit ist speziell auf die L-Objektive abgestimmt.

Der Canon 1,4 Telekonverter raubt der Kamera eine und der 2fach Konverter volle zwei Belichtungsstufen. Diese Daten werden an die Kamera weitergereicht und werden dort im Display angezeigt. Die Folge ist, dass ab Blendenstufe F 6,3 der Autofokusbetrieb aufgrund der geringen Lichtmenge nicht mehr unterstützt wird. Ausser Kraft wird er also bei Einsatz des 1,4 Konverters bereits ab Blendenstufe 4,5 gesetzt, was z.B. in Kombination mit dem Canon Objektiv 100 - 400 mm den Autofokusbetrieb gänzlich ausschliesst.

Kompatibilität der Canon-Konverter

 

L-Objektive und Canon-Telekonverter gehen eine enge Beziehung ein: die eingelassene Rücklinsengruppe bietet Platz für das abstehende Element der Telekonverter. Während der Kenkokonverter voll kompatibel ist, passen die Konverter von Canon nur auf die L-Optiken.

 

Der Canon-Zweifachkonverter setzt den Autofokusbetrieb bereits ab einer Lichtstärke über F 2,8 komplett ausser Kraft.
Im Gegensatz dazu bringt der Telekonverter von Kenko zwar ebenfalls Lichtstärkeverluste mit sich, doch diese Daten werden nicht an die Kamera weitergereicht, so dass hier die Blendenanzeige nicht korrigiert angezeigt wird. Dadurch lässt sich die Kamera weiterhin im Autofokusbetrieb halten, was sich als echter Vorteil in der Praxis erweist, denn dieser funktioniert ganz offensichtlich auch bei Blendenstufen, die einer realen Lichtmengen von F 6,3 oder grösser entsprechen.

2. Makrofähigkeiten: Qualität bei Offenblende und Blende F8

Wer kein spezielles Makroobjektiv im Gepäck hat, bzw. gerne zum Motiv einen gewissen Abstand halten möchte um z.B. die Fluchtdistanz zu wahren oder um es besser vom Hintergrund freizustellen, der kann die grossen Brennweiten natürlich auch für den Nahbereich nutzen. Die Nahgrenze variiert je nach Objektiv von 1,20 m beim Canon 70-200 / 4,0 bis hin zu den 2,20 m des Sigma 135-400.

Die Aufnahmen wurden vom Stativ aus bei jeweils grösster Brennweite mittels Fernauslöser vorgenommen. Modell stand eine Listspinne, die einschliesslich der Beine einen Umfang von etwa 4 cm hatte und die während der Aufnahme erfreulicherweise still hielt, so dass keine Bewegungsunschärfen das Ergebnis verfälscht.

Die jeweils hochaufgelösten Ausschnitte zeigen Detailansichten vom Rumpf der Jagdspinne und wurden jeweils bei Offenblende und Blende F 8 vorgenommen

 

Aufnahme jeweils mit Offenblende

Canon 300mm L IS USM
Blende 4,0

Canon 100 - 400 mm L IS USM
Blende  5,6

Canon 70 - 200 / 4,0 L USM
Blende 4,0

Canon 70 - 200 / 2,8 L IS USM
Blende 2,8

Canon 100 - 300 mm / 4,5 - 5,6  USM
Blende 4,5

Sigma 135 - 400 mm / 4,5 - 5,6
Blende 4,5


Aufnahme jeweils mit Blende F 8,0

 

Die Festbrennweite Canon 300mm zeigt sowohl bei Offenblende als auch bei Blende F8 im Nahbereich sowohl die beste Auflösung als auch den grössten Abbildungsmasstab. Schon bei Offenblende sind hier gute Ergebnisse zu erzielen. Das Canon 100-400mm und das Sigma-Objektiv 135 - 400mm verbessern ihre Leistung erheblich durch Abblenden auf Blende F8, während beim Canon 70-200/4,0 durch Abblenden keine Verbesserung erkennbar wird.

Obschon sich die Qualität des Sigma's zumindest bei Blende F8 recht gut im Feld positioniert, ist die grosse Mindestentfernung von 2,20 m doch ein recht erheblicher Abstand zum Motiv, bei dem man froh sein darf, wenn ausreichend Platz vorhanden ist. Ein Motiv, das beispielsweise auf ebenen Erdboden abgelichtet werden soll, kann einen hier vor Probleme stellen.

Fortsetzung Teil 2 des Testberichtes