Regelmäßige Muster meiden - Nützliche Techniken bei zu geringer AF-Feld-Abdeckung - Front/Back Fokus in den Griff bekommen - Mehr Schärfe durch manuelle Fokussiermethoden - Beispiel 1 Schärfefalle - Beispiel 2 manuelle Fokusierung - Beispiel 3 mehr Geschwindigkeit - Inhaltsverzeichnis
4.7 Lösungen bei Autofokusproblemen
Obwohl die Phasendetektion bei Canons Autofokussystem in der Regel schnell und präzise arbeitet, steht sie in einigen Situationen vor Problemen. Gegenlicht, regelmäßige Muster, zu wenig Umgebungslicht oder kontrastarme Motive können das Autofokussystem aus dem Takt bringen. Die für die Scharfstellung zuständigen Linsengruppen im Objektiv pumpen in solchen Fällen ziellos vor und zurück, bis die EOS 6D schließlich aufgibt und zudem den Auslöser blockiert. Kein Grund, dem AF-System enttäuscht den Rücken zuzuwenden. Oft finden sich Lösungen aus dem Scharfstelldilemma; manchmal – beispielsweise bei Dejustierungen – führt der Weg jedoch ggf. in die Canon-Vertragswerkstatt.
Regelmäßige Muster meiden
Gleichmäßige Muster fallen quasi durch die Maschen des Autofokussystems. Auf den CMOS-AFSensor wird ein Wellenmuster projiziert, das vom eingespeisten Vergleichssignal als Scharfstellungsoptimum interpretiert wird. Folglich stoppt der Autofokus auch in Positionen, die nicht den höchsten Schärfegrad aufweisen. Typische Fälle sind etwa regelmäßig gestaltete Fassaden, Fensterfronten oder Zäune.
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Regelmäßige Muster – wie etwa durch Säulen an Gebäuden – können das Autofokussystem aus dem Takt bringen. Hier muss der Anwender ggf. auf einen weniger gleichmäßigen Bereich fokussieren oder im manuellen Betrieb scharf stellen.
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Das Problem stellt sich mir konkret oft auch zwischen Ästen, wenn dort z. B. gezielt auf Singvögel fokussiert werden soll. Seinerzeit lieh ich mir das Canon 800mm/5.6L IS USM und die 1D Mark IV. Ich wollte testen, ob mit der damals professionellsten Canon-Technik das Problem vermieden wird – und wurde enttäuscht. Mir war nicht klar, dass es sich um eine prinzipielle Komplikation beim Phasenkontrast-Verfahren handelt. Sie betrifft daher genauso auch andere DSLR-Kamerahersteller.
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Singvögel gezielt zwischen Geäst via Autofokus scharf zu stellen, stellt oft ein unlösbares Problem dar. Besser man wartet auf eine Gelegenheit, bei der keine irritierenden Äste im Umfeld vorhanden sind.
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Dabei wirken Äste oder Baumstämme vor allem im Unschärfebereich auf den Autofokus wie ein regelmäßiges Muster, auch wenn sie tatsächlich nicht exakt gleichmäßig gewachsen sind. Man sollte daher kontrastreiche, dunklere Strukturen im Umfeld meiden bzw. auf Alternativtechniken wie z. B. den manuellen Fokusbetrieb ggf. in Verbindung mit der Live-View-Lupenfunktion ausweichen.

Nützliche Techniken bei einer zu geringen AF-Feld-Abdeckung
Die Autofokusfeldabdeckung ist zwar an der 6D etwas größer als z. B. an der EOS 5D Mark II, dennoch ist sie für viele Motive zu klein geraten. Beispielsweise reichen die oberen AF-Felder dann oft nicht für eine gelungene Komposition. Sie können dann entweder leicht schwenken oder in die Live View wechseln – dazu nachfolgend der Workflow.
Verschwenkmethode bei Porträts
1 AF-Betriebsart wählen
Für Porträts ist meist eine exakte Fokussierung auf die Augenpartie wünschenswert. Aktivieren Sie mithilfe der AF-Messfeld-Wahltaste und des Multi-Controllers das obere AF-Feld.
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AF-Betriebsart wählen
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2 Augenpartie anvisieren
Schwenken Sie Ihre 6D so weit, dass die Augenpartie mit dem oberen AF-Feld abgedeckt wird. Drücken Sie zum Fokussieren den Auslöser halb durch und halten Sie ihn gedrückt.
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Augenpartie anvisieren
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3 Auf Ausschnitt schwenken
Während Sie den Auslöser halb gedrückt halten, schwenken Sie auf den finalen Ausschnitt und drücken ihn voll durch.
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Auf Ausschnitt schwenken
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Diese Methode ist für viele Anwendungen hinreichend genau. Allerdings wird durch den Schwenk die Schärfeebene noch minimal verlagert (sogenannter Kosinus-Fehler). Bei kritischen Motiven vor allem im Nahbereich oder bei Makros können daher mit lichtstarken Objektiven noch Unschärfen auftreten.

Wechsel in den Live-AF
Bei relativ ruhigen Motiven können Sie alternativ auch in die Live View wechseln und den Live-AF mit einer größeren Sichtfeldabdeckung nutzen.
1 Live View starten
Starten Sie die Live View und drücken Sie die AFTaste. Achten Sie darauf, dass sich am Objektiv der AF/MF-Schalter auf AF befindet.
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Live View starten
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2 Live-AF aktivieren
Nach Druck auf die AF-Taste erscheint am Monitor im Livebild eine Auswahlmethode der Autofokusbetriebsart. Wählen Sie AF-Live. Die Gesichtserkennung (Icon rechts daneben) ist hingegen für weiter entfernte Porträts geeigneter.
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Live-AF aktivieren
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3 AF-Feld-Rahmen verschieben
Verschieben Sie über den Multi-Controller den AF- Feld-Rahmen auf die Augenpartie. Eventuell sollten Sie Ihr Model bitten, ein wenig ruhig zu bleiben, denn der Fokusvorgang dauert deutlich länger als bei der normalen phasenbasierten AF-Methode (die auch beim Quick-AF mit kurzer Dunkelzeit im Livebild genutzt wird).
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AF-Feld-Rahmen verschieben
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Lösen Sie aus. Auch die Abdeckung des Live-AF ist seitlich etwas eingeschränkt, erreicht aber ein deutlich größeres Feld als der Phasen-AF.
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Hier ist der Wirkbereich des Live-AF orange markiert. Er geht deutlich über die klassischen AF-Felder außerhalb der Live View hinaus.
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Front- und Backfokus in den Griff bekommen
Siehe unsere
Hinweise zu Front- und Backfokus

Mehr Schärfe durch manuelle Fokussiermethoden
Auch wenn der Autofokusbetrieb durch eine höhere Empfindlichkeit, eine größere Sucherfeldabdeckung und mehr Kreuzsensoren an der 6D gegenüber dem Vorgänger deutlich aufgewertet wurde, sind manuelle Fokussiertechniken vielfach unverzichtbar. Dafür gibt es zahlreiche Gründe:
- Das Autofokusfeld deckt trotz des gewählten Spot-AF nicht exakt den erwünschten Schärfepunkt ab bzw. die Feldabdeckung geht nicht weit genug in den Randbereich.
- Der Motivkontrast ist für den Autofokus zu schwach.
- Es fehlt an Umgebungshelligkeit, sodass der AF-Betrieb nicht möglich ist.
- Der Autofokus ist durch regelmäßige Muster irritiert, was z. B. auch zwischen Ästen oder Baumstämmen im Unschärfebereich der Fall sein kann.
- Angesetzte Telekonverter addieren die Offenblendzahl, sodass sie größer als f5.6 ist und der AF-Betrieb außerhalb der Live View nicht mehr unterstützt wird.
- Sie nutzen nur manuell fokussierbare Objektive (wie z. B. das Canon-Lupenobjektiv MP-E 65 oder Optiken von Walimex/Samyang/Zeiss, aber auch Teleskope oder Mikroskope etc.).
- Das Ereignis ist zu kurz, um darauf rechtzeitig fokussieren zu können (z. B. Wassertropfen-Fotografie, plötzliche Ereignisse wie ein schnell abfliegender Vogel).
- Das Motiv betritt erst später die Bühne (z. B. Selbstporträt/Produktdemo vom Stativ aus).
- Der Autofokusvorgang würde im Video mit aufgezeichnet werden und dann zu störenden Filmsequenzen führen.
- Man möchte bei wichtigen Ereignissen eine garantierte Schärfe realisieren und nicht ggf. durch AF-Fehler beeinträchtigt werden.
- Es besteht im AF-Betrieb die Gefahr, dass in einer Bildersequenz unterschiedliche bzw. nicht genau definierte Fokusebenen genutzt werden (z. B. bei Panorama- oder Stereofotografie oder bei Fokus-Stacking-Techniken).
Manuelle Fokustechniken haben leider den Nachteil, dass die Fokussierzeit regelmäßig länger dauert als beim AF-Betrieb. Normalbrennweiten, aber auch lichtstarke Teleobjektive erzielen Fokussierzeiten zwischen 0,25 und 0,5 Sek. (von unendlich bis in den Nahbereich). Da hat es der Mensch schwer mitzuhalten. Dafür kann er exakter und manuell vielfach intelligenter fokussieren. Bei ausreichender Schärfentiefe bzw. vorplanbarer Schärfe ist zudem ein separater Fokusvorgang gar nicht nötig oder würde zu viel Zeit kosten.
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Mit fixierter Schärfeebene im manuellen AF-Betrieb habe ich im richtigen Moment ausgelöst, als die Schwebefliege in Position flog. Per Autofokus wäre das Unterfangen praktisch aussichtslos. Aufgenommen mit Sigma 150mm/f2.8 Makro | f13 | ISO 100 | und Traumflieger Makro-Flash-Kit.
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Beispiel 1 – Bewegtmotive manuell fokussierend in der Schärfefalle einfangen
Es gibt eine Reihe von Bewegtmotiven, deren Bewegungsrichtung kaum vorhersehbar ist bzw. bei denen ein zu schwacher Kontrast die Gefahr einer krassen Fehlfokussierung nach sich ziehen kann. Das Objektiv kann sich dabei im Unendlichen verfangen und nach mehreren Scharfstellversuchen aufgeben. Diese Zeit fehlt Ihnen womöglich, weil das Bewegtmotiv keine zweite Chance mehr eröffnet. Beispiele finden sich bei fliegenden Insekten. Hier ist die Chance vielfach höher, wenn man sich entweder mit konstanter, manuell vorgegebener Schärfeebene langsam annähert. Schalten Sie am Objektiv den AF/MF-Schalter auf MF und starten Sie die Live View. Nutzen Sie am besten den 5x- Zoom und nähern Sie sich behutsam dem Insekt, bis es im Livebild scharf ist, und drücken Sie den Auslöser durch. Alternativ kann man auch den 10x-Zoom verwenden, muss dann jedoch wegen des deutlich kleineren Ausschnitts viel gezielter und daher langsamer vorgehen.
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Der aus der Nisthöhle abfliegende Buntspecht durchflog stets dieselbe Schärfeebene. So konnte ich diese vorplanen und musste nur noch im richtigen Augenblick den Auslöser durchdrücken (schneller Serienbildmodus | 400mm/ f2.8 mit 1,4x-Telekonverter bei Offenblende | ISO 3200 | 1⁄2000 Sek.).
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Fliegende kleinere Singvögel sind auch an der 6D eine große Herausforderung. Zwar benötigt der AI Servo nicht mehr eine ganze Sekunde, um sich auf die Bewegungsrichtung einzustellen, darauf kann man sich jedoch nicht immer verlassen. Bei Tests konnte ich manchmal noch erkennen, dass der Servo eine kurze Sequenz lang die Schärfeebene innerhalb der ersten Sekunde zu finden versucht. Sind die Bewegungsrichtung und der Zeitpunkt des Abflugs absehbar, dann hilft eine vorgeplante Schärfeebene im manuellen Fokusbetrieb. Hier muss man regelmäßig die Schärfeebene abschätzen, da in der Luft meist kein Alternativobjekt zum Vorfokussieren vorhanden ist. Ideal ist auch eine Flugrichtung quer zum Fotografen, da so die Fokusebene länger eingehalten wird.
Längere Auslöseverzögerung in der Live View einkalkulieren
Beachten Sie, dass die Auslöseverzögerung in der 6D-Live-View mit rund 100 Millisekunden knapp doppelt so lang wie außerhalb der Live View ist (etwa 60 Millisekunden). Das heißt, nach Drücken des Auslösers kann sich das Motiv schon etwas außerhalb der Schärfeebene bewegt haben. Passen Sie daher am besten einen ruhenden Moment ab oder lösen Sie schon aus, kurz bevor das Insekt seine Zielposition erreicht.
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Beispiel 2 – garantierte Schärfe durch manuelle Fokussierung
Eine garantierte Schärfeebene ist regelmäßig für Techniken gefordert, bei denen mehrere Aufnahmen zu einem Gesamtbild verrechnet werden. Der Autofokusbetrieb ist vor allem dann problematisch, wenn der Ausschnitt variiert. Wenn beispielsweise zwecks Steigerung der Schärfentiefe im Makrobereich mehrere jeweils minimal verlagerte Fokusebenen aufgenommen und später zu einem Foto mit höherer Schärfentiefe gestackt werden (z. B. mit Photoshop, Helicon Focus, Zerene Stacker, Micropics etc.), führt man dies in genau definierten Abschnitten durch. Der Autofokus wäre dabei kontraproduktiv, weil man sich nicht auf jeweils passende Kontrastpunkte verlassen kann.
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Auf der Stelle schwebende Insekten lassen sich besser einfangen, wenn sich der Fotograf im manuellen Fokusbetrieb langsam annähert, bis sie in der Schärfeebene liegen (blaugrüne Mosaikjungfer, manuell fokussiert eingefangen, Canon 70-200/2.8 bei 155 mm | f2.8 | 1⁄2000 Sek. | ISO 400).
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Auch bei aus mehreren Einzelbildern zusammengesetzten Panoramen ist der manuelle Fokus nahezu unverzichtbar. Dadurch wird eine jeweils ggf. auch nur leicht varierende Schärfentiefe verhindert, die bei der Verrechnung zum Gesamtpanorama ansonsten Inkonsistenzen nach sich ziehen würde.

Beispiel 3 – mehr Geschwindigkeit durch manuellen Fokus
Zunächst klingt es widersprüchlich, dass sich im manuellen Fokusbetrieb mehr Geschwindigkeit einstellen soll. Dies ist aber dann der Fall, wenn man einen externen Monitor oder ein Tablet nutzt und durch das größere Livebild mehr Details erkennt. Das steigert die manuelle Fokusgeschwindigkeit erheblich und ist zumindest deutlich flotter, als wenn man etwa den Live-AF nutzt, der oft einige Sekunden – vor- und zurückpumpend – benötigt.
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Mit dem Android-Handy nutze ich hier die kostenlose Canon-App EOS Remote und damit ein größeres Livebild, aber auch einen Touchscreen. Letzterer ist z. B. hilfreich, um schnell in verschiedene Bereiche einzuzoomen, ohne erst noch mühsam scrollen zu müssen (Handy-Halterung „Traumflieger Handy und DSLR Connector Base“).
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Ein größerer Monitor ist auch hilfreich, weil man sich vielfach nicht einzuzoomen braucht. Eingezoomt den Ausschnitt per Multi-Controller zu wechseln, geht leider auch an der 6D nur stockend vor sich und kann Geduld und Zeit strapazieren. Ich nutze daher oft einen mobilen HD-Monitor via HDMI-Kabel und gerne auch ein Tablet, mit dem ich über die App DSLR Controller mit einer Peak- Funktion die Schärfe ablese. Durch nachgezogene rote Konturen funktioniert das auch ohne Zoomfunktion hervorragend. Auch im laufenden Videobetrieb ist so eine Funktion Gold wert, weil man sich dabei ja nicht einzoomen und dennoch die Schärfeebene ablesen kann.
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Für Panoramen wird die Schärfe einmal im Startabschnitt manuell festgelegt und dann für alle weiteren Einzelbilder genutzt. Sonst gäbe es vielfach im verrechneten Panorama inkonsistente Schärfeebenen (sphärisches 360°-Panorama, mit 15-mm-Fischauge abgelichtet und in sechs Einzelabschnitten gestitcht).
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