kopierte Tests, fehlerhafte Tipps, falsche Versprechungen!
Man könnte sich freuen: endlich eine Fotozeitschrift nur für Canon-Fotografen. Hinter dem Debüt von "CanonFoto" steckt jedoch eher eine haarige Gradwanderung zwischen falschen Versprechungen, Nullnummer-Tipps und kritikloser Report-Kopien aus Schwesterzeitschriften. Gekrönt wird das ganze durch eine absurde Jahres-Produktwahl - als primitive, weil durchschaubare Verpackung für Produktwerbung.
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Big Brother is watching you: Links die Canon-Werbung, rechts der Text, man würde kritisch über Canon-Produkte berichten! Der Leser solls glauben...
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Mein Kollege drückt mir das Heft in die Hand. Ich schlags irgendwo auf und mich packt das Grauen. Dümmliche Hinweise, fehlerhafte Bilder, falsche Infos. Dann seh ich auch gleich die kopierten Reports, die wir jetzt doppelt gekauft haben.
Das erstmals und zukünftig quartalsweise erscheinende Heft "CanonFoto" ist dabei mit €9,90 nicht gerade ein Schnäppchen. Dafür will man aber in der aktuellen Debüt-Ausgabe 1/2013 auch 75 Powertipps für EOS-Kameras auf insgesamt 132 Heftseiten liefern. Mit dabei sei ein "ultimativer" Objektiv-Guide und Vergleiche zu Canon SLR's. Im Editorial heisst es stolz, dass CanonFoto Deutschlands erstes und einziges Magazin für Canon-Fans sei. Und dass der Leser auf jeder Seite der CanonFoto zahlreiche praktische Tipps und Tricks rund um die Canon EOS erfährt.
CanonFoto kopiert Testberichte
Wir blättern weiter rein. Richtig, die Canon-Kameratests sind faktisch 1:1-Kopien aus der unsäglichen FotoBibel 2013. Die mit den Nullnummer-Reports. CanonFoto ist ein weiteres, mit der heissen Nadel gestricktes Kind des Kieler Falkemedia-Verlags bzw. der Kölner DigitalPhoto-Redaktion. Immerhin will CanonFoto aber doch kritisch sein "wenn wir ein Canon-Produkt für schlecht befinden, dann schreiben wir das auch". Links daneben wird die Aussage dann noch durch eine ganzseitige Anzeige von Canon zur neuen EOS-M unterstrichen. Zu letzterer findet sich übrigens auch ein geklonter Artikel - oder sagen wir besser eine redaktionell betreute "Werbeschrift"
. Besonders pikant: rechts daneben die ganzseitige Werbung für ebendiese Fotobibel, mit der man diesen und weitere Reports dann doppelt kaufen soll!
Absurde 63% kaufen die EOS 6D
Wir suchen stichhaltige Kritik vergeblich, das Heft trieft vor aus Herstellertexten konstruierter Produktwerbung, da nützen als Alibi auch die künstlich-krittelnden Facebook-Kommentare zur EOS 6D bzw EOS-M auf einer verlassenen Heftseite nichts. Dort wollen sich angeblich 63% dennoch eine EOS 6D kaufen. 63%, ohne dass angegeben wird, wieviele sich an der Umfrage beteiligt haben. Ein utopischer Wert, wenn man den Schnitt der Canon-User annimmt (siehe unsere Umfrage). Wahrscheinlich haben sie den Wert vertauscht und 37% gemeint. Das macht die Sache auch nicht besser, denn mit Irrtümern gehts munter weiter.
Dümmliches als Powertipp verkauft
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dreist kopiert: Seitenweise Tests, die schon in der FotoBibel abgedruckt sind!
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Käufer-Lockmittel von CanonFoto sind die 75 auf dem Cover genannten "Power-Tipps". Immerhin sollen die 50.000mal verkauft werden - so hoch ist die Startauflage. Nun was steckt dahinter? Eine endlose Reihe von Einsteigerhinweisen, gedoppelten Kompositionstipps - wenig brauchbares, wenn man nicht ganz blutig in die DSLR-Welt einsteigt. Laut Redaktion sei CanonFoto aber "Ein Muss für jeden Canon-Fan". Doch die müssen leider auch die Fehler ausbaden:
Im offenbar aus England eingekauften Artikel zur Landschaftsfotografie heisst es beispielsweise "Mit ISO 50..lässt sich das Rauschen nicht weiter reduzieren, es gibt keinen Vorteil in Sachen Bildqualität"
. Wer ISO 50 kennt, weiss, dass diese Aussage falsch ist, das Restrauschen wird gegenüber ISO 100 exakt um eine Lichtstufe reduziert. Zur Mehrfeld-Messung der weitere Powertipp "allerdings sollten Sie das Histogramm überprüfen und eine Belichtungsreihe machen"
. Aha, guter Tipp, wenn man die Mehrfeldmessung benutzt, dann bitteschön stets eine Belichtungsreihe machen, wirklich sehr nützlich. Gleich darüber ein Bildbeispiel zur Tonwertpriorität, die offensichtlich überhaupt nichts zu bringen scheint. Gehts noch amateurhafter?
Rechenfehler zum Fremdschämen
Es geht. Der nächste Powertipp: Eine Liste zum Umrechnen von KB-Brennweite auf APS-C-DSLR. 24mm KB soll 18mm an APS-C sein. Korrekt sind natürlich 15mm (24mm/1,6) aber so gehts dann munter weiter. Canon-Fotografen werden Features eines Weitwinkelobjektivs mit krassen Fehlbeschriftungen erklärt, die Entfernungsskala ist nicht zu sehen und man lässt auch noch die Brennweitenskala ins Leere laufen
. Gleich noch der nächste Belichtungs-Powertipp: bei (durchschnittlich) dunklen Motiven soll die Belichtung um eine Stufe reduziert werden. Soweit nicht verkehrt, nur dass ein falsches Beispiel gewählt und prompt künstlich geradegebogen wird. Im lichtreduzierten Beispielbild dunkelt nämlich nur das Umfeld aber nicht der Labrador-Retriever ab
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Tipps zur Bildschärfe gibts auch. Ohne Bildstabilisator solle man bei Freihandaufnahmen und 10mm mit 1/15 Sek. immer scharfe Aufnahmen erzielen. Wer mit solchen Superlativen Anfänger locken will, sollte dann wenigstens technisch saubere Daten liefern. Nein, mit einem dreistufigen IS lassen sich dann nicht nur 1/4s sondern 1/2s nutzen. Der Rechenfehler zieht sich prompt durch die komplette Liste
.. Wenn dann noch unter der Überschrift "Telezoom-Objektive optimal einsetzen" die Festbrennweite Canon 400mm/2,8L IS II aufgelistet und ihr statt eines Kaufpreises von derzeit wenigstens 10.400 Euro 8.600 Euro angedichtet wird, dann kann man sich fragen, was die Redaktion eigentlich tagsüber treibt? Auch träumen?
Fehlerhafte Produktwerbung als Siegerfeier verkauft
Richtig schön wirds dann bei der "grossen CanonFoto-Preisverleihung", die auf 12 Seiten breitgetreten wird. Die Redaktion habe das Canon-Produkt des Jahres gewählt und der Leser "soll gespannt sein und mit uns gemeinsam die Sieger feiern". Die angebliche Feier wird nur immer peinlicher: Beste Sport- und Reise-DSLR sei die EOS 6D. Man muss sich die Zuordnung als Sport-DSLR auf der Zunge zergehen lassen. Nicht die EOS 7D oder 1Dx, nein die EOS 6D (mit 4,5 Bildern/Sek.) wird dem Leser als Sport-DSLR-Konstrukt verkauft
. Das beste Fisheye-Zoom sei das Canon 8-15mm/4,0. Als hätte Canon noch irgend ein anderes Fisheye-Zoom. Und nein, Drittanbieter werden nirgendwo vorgestellt, sonst könnte Tokina ja noch mit seinem 10-17mm Fischauge mitmischen.
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Absurd: Das Canon 200-400mm/4,0 wird von der CanonFoto-Redaktion zum Produkt des Jahres gewählt, ohne dass es überhaupt auf dem Markt ist. Es ist noch nichteinmal bekannt, wann es erscheinen soll!
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Der Klopfer ist dann auch die Wahl zum besten Super-Tele Zoom: Das Canon 200-400mm/4,0L ist noch garnicht erschienen und wird hier schon von CanonFoto als Produkt des Jahres gekührt - gehts noch? Weiter soll das Canon Speedlite 270 EX I das beste Blitzgerät zum kleinen Preis sein. CanonFoto freut sich, dass es sich auch drahtlos betreiben lässt. Dumm bloss, dass dies erst mit dem Speedlite 270 EX II möglich ist
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Wir biegen uns die Werbung schon zurecht
Woher kommt uns bloss diese Masche mit Bildung von Kleinstkategorien noch bekannt vor? Achja, Fototest macht sowas ja auch, um in irgendeinem Zweier- oder gar Einzeltest gross einen Testsieger zu küren - und den Käufer damit zu blenden. Bestes Fischeye-Zoom des Jahres von Canon...bestes Super Tele-Zoom. Richtig, davon gibts jeweils nur eins von Canon. Es braucht bei solch Fantasie-Kategorien garnicht getestet oder verglichen zu werden, da soll einfach nur etwas aufs Podest gehoben werden und ringsherum wird schnell ein Konstrukt gebaut.
Wenn dann noch eine Lexar 1000x-Karte unter dem Motto "EOS Technik, Produkte des Jahres" als "Beste Compact-Flash-Karte" bejubelt wird, sollte man wenigstens auch nur ein Wort darüber verlieren, wie schnell sie dann tatsächlich an der Canon DSLR ist - Fehlanzeige.
hohle Blitzpraxis!
Zum Thema Blitzen gibt man sich aktuell und stellt dann auf einer Seite das noch relativ junge Canon Speedlite 600EX-RT vor. Man will es ausgiebig in der Praxis getestet haben. Was dann folgt sind lediglich Hersteller-Technikangaben, die dem Blitz anstelle von realistischen 4,5 Sek. auch noch absurde 0,1s Wiederaufladezeiten andichten
. Von Test entdecken wir keine Spur - der Leser solls aber glauben!
Passend findet sich zum Thema noch ein Tipp zum Vermeiden Roter Augen auf S. 80 "Über den Blitzmodus zündet Ihre Kamera einen kurzen Vorblitz, der dafür sorgt, dass sich die Pupillen Ihres Motivs verkleineren". Erstens handelt es sich um keine Blitzfunktion sondern wird via Hauptmenü-Eintrag "Rote Augen Ein/Aus" getriggert und zweitens wird dabei eine LED-Lampe eingeschaltet, die gemächlich die Pupillen verengt. Der angebliche Vorblitz ist keine Roteaugen-Vermeidhilfe sondern bezeichnet gemeinhin den Messblitz, der eine ganz andere Funktion inne hat. Der unbedarfte Leser sucht die Funktion vergeblich und bekommt obendrauf noch falsche Hintergrundinfos.
Zusammengepanschtes
Man muss sich nur ausmalen, was solche Fehler, die irrsinnigen Kategorien und weggelassenen Infos für einen Schaden anrichten können. Einsteiger kaufen sich eine teuere Speicherkarte, die an ihrer Canon DSLR garnichts bringt, erwerben ein Speedlite, das garnicht drahtlos blitzen kann, bestaunen ein Telezoom als Jahres-Klassensieger, das es noch garnicht gibt oder kaufen sich eine EOS 6D als "Sport-DSLR". Die Redaktion panscht hier wirres Zeug zusammen.
Pseudoaktuell
Letztlich muss man sich auch fragen, warum die CanonFoto als Ausgabe-Nr. 1/2013 bezeichnet wird? Das Heft ist doch schon seit dem 13.11.2012 am Kiosk zu haben! Man will sich offenbar betont aktuell geben - sowas nennt man eher pseudo-aktuell!
Traumflieger-Fazit
CanonFoto bietet reichlich kopierte Tests aus anderen Zeitschriften und macht für diese auch noch Werbung im Heft. Der Leser soll also für weitgehend inhaltsgleiche Reports zweimal zahlen. Darüberhinaus können wir ernstzunehmende oder stichhaltige Produkt-Kritik nicht ausmachen.
Wie will eine Redaktion etwas über Schärfe lehren, wenn die Tests für eine 5D II exakt die gleiche Wertung wie für eine EOS 5D Mark III ausweisen? Pseudoüberschriften wie "Testlabor" tauchen auch bei nicht getesteten Modellen auf. Genauso unglaubwürdig sind die Aussagen, irgendetwas wäre ausgiebig in der Praxis getestet worden. Es hilft nichts, das zu behaupten, statt der wiedergekäuten Herstellerangaben sollten Praxishinweise auch schwarz auf weiss zu lesen und zu sehen sein!
Wer dann noch reichlich flache Hinweise auf Einsteigerniveau als Powertipps ausgibt, muss schon von einem äusserst anspruchslosen Publikum ausgehen. Das wird sich dann vielleicht auch kaum dran stören, dass eben nicht auf "jeder Seite zahlreiche Tipps und Tricks rund um die Canon EOS" zu finden sind. Stattdessen gibts nämlich langatmige Strecken mit allgemeiner Bildkomposition und Bildnachbearbeitung - dazu noch aus dem englischsprachigen Raum eingekaufte Reports.
Wenn die Redaktion noch nicht völlig merkbefreit ist, sollte sie weniger falsche Versprechungen machen und stattdessen die Masse an fehlerhaften Inhalten reduzieren. Wir können diese Korrekturarbeiten hier nur gelegentlich übernehmen.
Blutige Anfänger werden sicherlich den einen oder anderen Tipp ergattern; können sich aber gegen der Berg an Fehler und wirrem Zeug nicht erwehren. Da sind die Tipps teuer erkauft. Aufmerksame und erfahrenere Canon-Fotografen werden hingegen den direkten Weg in die Tonne wählen und sich bessere Informationsquellen sichern. Wer will schon für den geringen Bodensatz an Infos soviel Schrott und dazu breitflächige und penetrante Eigenwerbung im Heft ertragen? Sowas nennt man Umweltbelastung, die Canon-Fans vermeiden können!
Fragen und Antworten zum Report
Geht ihr mit der Traumflieger-Kritik nicht etwas zu hart mit CanonFoto ins Gericht und schüttet das Kind mit dem Bade aus?
Wenn uns der Platz zur Verfügung stünde, hätten wir mit Richtigstellung und Heftkritik durchaus auch 132 Seiten füllen können, wie CanonFoto. Und das ist nicht nur dahingesagt, wie man vieles im Heft hinnehmen soll. Sämtliche Tests müssten neu gemacht werden, mit ausführlicher Referenz, einfach um die Angaben richtig zu stellen. Wenn die sowas nicht ins Heft bringen wollen, dann hätte man zumindest eine Online-Referenz angeben müssen. Daneben finden sich noch viele unerwähnte Patzer, Ungenauigkeit und Schlampereien. Da steht z.B. irgendwo mitten auf der Seite im grossen Kasten "Zahl des Monats: 80.000.000". Ohne irgendwelche Erläuterung. Nur wer zufällig weiss, dass Canon soviele EF-Objektive bis Oktober 2012 verkauft haben will, kann das verstehen.
Und sonst noch?
Stativ des Jahres ist z.B. ein Giottos mit abneigbarer Mittelsäule geworden. Entscheidende Begründung: andere Anbieter würden die Mittelsäule nur horizontal oder vertikal drehen können. Uns fallen auf Anhieb drei Gegenbeispiele ein: Benro AF1980, Gitzo Explorer, Benbo Minitraker. Uns stehen auch die Nackenhaare zu Berge, wenn etwa zum "Besten Weitwinkel", dem angeblichen Canon 16-35mm/2,8L II USM ein lupenreiner Werbetext abgedruckt wird: "Das leistungsstarke Superweitwinkel-Zoomobjektiv der Canon L-Serie überzeugt durch exzellente Leistung. Die grosse, konstante Blendenöffnung von f/2,8 über den gesamten Zoombereich ist auf die hohen Ansprüche von Profifotografen abgestimmt. So lässt sich auch bei widrigen Lichtbedingungen scharf fotografieren. Der Zoombereich fängt Landschaften weitläufig und mit hoher Tiefenschärfe ein." Kein Wort davon, dass es am Vollformat fürchterlich unscharf im Randbereich wird. Sollen wir noch mehr aufzählen?
Gut, das sind jetzt die erwähnten 12 Seiten mit der ominösen Jahresproduktwahl. Aber das Heft bietet ja viel mehr...
Es geht nicht nur um Einzel-Fehler sondern um ein in sich schlecht abgestimmtes Gesamtprodukt. Vielfach wird der Leser als blutigster Anfänger angesprochen. Das Programm AV wird beispielsweise seitenweise besprochen. Da heisst es dann "Diese Einstellung ist eine sehr spannende Alternative zur gewohnten Vollautomatik". Hallo, wieso gewohnte Vollautomatik? Auf der anderen Seite küren sie Objektive wie ein Canon 200-400/4,0 zum Jahressieger, das wohl im Bereich ab 8.000 Euro irgendwann zu haben sein wird. Passt irgendwie nicht zusammen, oder? Es gibt auch keine Trennung von Vollformat und APS-C-Modellen, alles Querbeet durchmixt. An anderer Stelle wird im Rahmen eines Tipps gefragt "warum aber hat Ihre Canon eine separate Autofokus-Taste?" (gemeint ist die AF-On-Taste, S.57). Keine der drei- oder vierstelligen Canon DSLR hat so eine Taste!
Naja, ist wohl nicht einfach, alles unter einen Hut zu bringen...
Klar, das ist eine Herausforderung. Aber dann soll man sich vorher ein stimmiges Konzept überlegen. Wir haben z.B. derzeit nur Objektivtests für das Vollformat. Einfach weil man nicht alles gleichzeitig und blind drauflos machen kann. Weniger ist mehr, wenn die Details dann stimmen.
Wo seht ihr denn noch Detailfehler bei CanonFoto?
Bei der Belichtungsreihenfunktion wird z.B. die Reihenfolge angeblich auf 0,-,+ verstellt, obwohl die bereits an allen Canon DSLR Standard-Preset ist. Das gilt dann als Profi-Tipp. Begründung: die Einstellung ist besonders bei extrem kontrastreichen High-Dynamik-Range-Aufnahmen hilfreich. Quatsch mit Sosse. Viel sinnvoller ist die abweichende Einstellung mit -/0/+, weil man dann schon in der Liveview sehen kann, ob Lichter noch ausbrennen. CanonFoto schreibt irgendwas, ohne es selbst kapiert zu haben.
Oder nehmen wir den Tipp, Tieraufnahmen stets mit Ai-Focus aufnehmen zu sollen. Weil sich das Tier, der Vogel etc. ja plötzlich bewegen kann und die Kamera dann automatisch auf kontinuierliche Verfolgung umschaltet. Ist soweit ja auch okay, nur was ist, wenn das Tier ruhig bleibt und man mit Schärfespeicherung via halb durchgedrücktem Auslöser neu komponieren möchte? Richtig, die Kamera springt um und der Fokus geht verloren. Die Redaktion ist schlichtweg denkfaul oder zu unerfahren. Aber dann sollen sie nicht so ein Heft machen.
Habt ihr denn überhaupt nichts mitnehmen können?
Doch, es gab zwei Tipps, die uns interessant schienen: Die Settaste via Individualfunktion mit der ansonsten fehlenden Abbblendtaste an der 1100D zu belegen und das RGB-Histogramm bei formatfüllenden roten Motiven wie z.B. Rosen etc. auf einen ausbrennenden Kanal zu begutachen. Ziehen wir von 75 Powertipps 2 ab, bleiben 73 Luschen. Gehen wir von einem mittleren Erfahrungstand aus, sind vielleicht noch 15 Tipps brauchbar. Dann verbleiben 58 Selbstgänger, wären also noch rund 80% Ausschuss.
Naja, es gibt doch sicher auch Workshops, die jetzt noch ausserhalb der Power-Tipp-Serie gezeigt werden, oder?
Ja, z.B. "Motive spannend in Szene setzen". Der Titel spricht schon Bände. Hat natürlich nichts mit EOS Kameras zu tun, sondern mit allgemeinen Kompositionsgeschichten. Oder "Monochrom meistern". Einzige Rechtfertigung ist eine im Einleitungsbild gezeigt EOS 550D. Ansonsten nur Gestaltung und Photoshop. Völlig beliebig. Und das seitenlang.
Glaubt Ihr die Redaktion DigitalPhoto/CanonFoto will den Leser mit den themenfremden Inhalten bewusst hinters Licht führen oder können sie es nicht besser?
Niemand sagt, dass nicht auch Randthemen für Canon-Fotografen interessant sind. Aber dann sollen sie nicht so tun, als wären auf "jeder Heftseite zahlreiche Tipps und Tricks rund um Canon DSLR" zu finden. Das ist schlicht gelogen.
Oder nehmen wir das Inhaltsverzeichnis. Da wird eine EOS M abgebildet und sogar noch mit einer Überschrift mit Pfeil auf die EOS-M geschrieben "So haben Sie Ihre Canon EOS noch besser im Griff. Seite 20". Okay, schauen wir auf Seite 20 nach, was da zur EOS M steht. Ein Tipp zur richtigen Kamerahaltung, man solle sie nicht mittig vor den Körper sondern eng mit Blick durch den Sucher nutzen. Und was ist mit der EOS M? Richtig, die hat keinen Sucher, die muss weit vor den Körper gehalten werden. Der Tipp ist widersinnig, wenn man vom Inhaltsverzeichnis ausgeht. Kein Tipp für die EOS M dabei!
Die EOS M wird von Canon im Heft beworben, ist also auch nichts kritisches zu ihr zu lesen?
Auf der erwähnten Seite mit Facebook-Kommentaren aus dem Web wird gesagt, dass sie nicht gerade billig wäre oder zu einem grösseren Objektiv nicht mehr passen würde. Die Kritik wirkt auf uns wie ein Alibi, um irgendwie auch noch Kritik veröffentlicht zu haben. Dann findet sich im kopierten Report-Plagiat der nicht weiter gewertete Satz, dass die EOS M kein Schwenkdisplay nutzen würde. Fazit dabei: Lob für die EOS-M auf ganzer Linie, Kritik Fehlanzeige . Vorne findet sich noch ein Interview mit der Produktmanagerin von Canon zur "Generation M". Man kann sich denken, dass hier nur Werbewirksames berichtet wird. Allein die Schlussfrage "Jede 2. verkaufte DSLR in Deutschland kommt von Canon. Was ist das Geheimnis?" spielt denen den Ball fast schon penetrant zu.
Das heisst?
Die EOS-M wird von der Redaktion nicht kritisch hinterfragt. Der Leser nur einseitig beraten. Kritikpunkte wegen eines fehlenden Suchers, der bislang nur zwei erhältlichen Systemobjektive, der natürlich idR nicht mehr zur Kompaktheit passenden Grössen von adaptierbaren EF-Objektiven, zu wenig Direktzugriffstasten etc. müssen natürlich offen genannt und hinterfragt werden. Fragen, ob der Autofokus bei Bewegtmotiven an die Leistung einer DSLR heranreicht, sollten gestellt werden. Zumindest von einer seriösen Zeitschrift, die den Leser und nicht nur die Industrie im Fokus hat!
Fehlen solche kritischen Fragen nicht auch in anderen Fotozeitschriften?
Mehr oder weniger ja, je nach Heft. Je billiger es ist, umso eher ist es werbefinanziert. Fotohits ist z.B. so ein Kandidat, bei dem redaktionelle Inhalte und Werbung für uns so gut wie nicht mehr auseinanderzuhalten sind. Schuld ist das einfache Käufer-Sparprinzip, für wenig Geld möglichst viel zu bekommen. Der Leser bekommt da für rund 3,50 Euro ein Hochglanzmagazin, das erstmal so reichhaltig wie teurere erscheint. Dass er praktisch in grossen Teilen nur eine Werbebroschüre erwirbt, fällt ihm erstmal nicht auf und dann setzt die Gewöhnung ein. Darauf setzen viele Zeitschriften, auch CanonFoto macht den Heftpreis zwar erstmal teuer aber im Abo bekommt man das ganze zum Sparpreis. Also schön die Leute in die Gewohnheit reinziehen und schon ist der Fotoheft-Werbekanal für die Industrie offen. Und nur daran verdient das Heft letztlich. Es gibt aber Ausnahmen, das Ct'-Fotosonderheft scheint mir objektiv und sehr detailliert zu recherchieren auch wenn sie oft ziemlich technisch rangehen und fotografisch noch mehr hermachen könnten. CanonFoto sieht hingegen die Lücke offenbar in der verdeckten Werbung, schrill und laut soll es sein und schon sieht der Kunde nicht mehr genau hin. Ob das aber langfristig funktioniert?
Wie ist denn Werbung und redaktioneller Inhalt eurer Meinung nach bei Fotohits vermischt?
Zum einen ist oft kaum noch erkennbar, was eine Anzeige und was redaktioneller Inhalt ist. Zumindest tauchte in der Vergangenheit dann irgendwo oben noch so ein Begriff "Advertorial" auf. Inhaltlich sahs aber wie von der Redaktion aufgesetzt aus. Der Leser konnte kaum erkennen, dass es reine Produktwerbung des Herstellers war. Aktuell ist z.B. in der Fotohits-Ausgabe 11/2012 auf Seite 90 ein Test über das sehr interessante Panasonic Lumix G X Vario 35 - 100mm/2,8 (entspricht 70-200mm/2,8 KB) zu lesen "Das Objektiv ist mit einer UVP von 1.299 Euro nicht gerade billig, verdient aber angesichts seiner hervorragenden Ergebnisse auch beim Preisleistungsverhältnis eine sehr gute Note". Soweit das Fazit. Also doch sehr gut, oder? Schaut man sich die Linienauflöungswerte von Fotohits an, sieht man einen Offenblend-Auflösungsverlust von über 30% bei der Endbrennweite gegenüber der Startbrennweite. Gute Objektive haben hier höchstens einen Verlust von 10%, oft auch garkeinen (z.B. bei Canon das 70-200mm/4,0L IS USM oder 70-200mm/2,8L IS II USM). Ein starkes Indiz also, dass es sich um eine Gurke handelt, zumindest in der Preisklasse. Warum schreibt das die Fotohits-Redaktion nicht? Die Frage beantwortet sich wohl von selbst.
Gibt es vergleichbares noch in weiteren Zeitschriften?
Jede Menge, man zeigt die Produkte regelmässig dann von der besten Seite, wenn ein konkretes Interesse daran besteht. Der Leser bleibt auf der Strecke. Nehmen wir die aktuelle Ausgabe vom Fotomagazin 12/2012. Dort werden die neuen Vollformat-DSLR verglichen. Also Nikon D600, Canon 6D, Sony A99 usw. Natürlich will der Leser Bildbeispiele sehen. Und was zeigt man? Minibilder, auf denen man weder Qualität noch Bildrauschen ablesen kann. Ob das Strategie oder nicht ist, sei dahingestellt. Jedenfalls lässt man sie alle gut aussehen. Noch auffälliger wirds dann beim Vergleich von 4 Superzoom-Kameras, wo auch die Canon Powershot SX50 HS mit 1200mm (50x)-Brennweite gezeigt wird. Hier sind jetzt auch endlich 100%-Ausschnitte zu sehen, aber nur in der Startbrennweite, nicht mehr in der natürlich wesentlich kritischeren Endbrennweite. Hat die Redaktion das vergessen? Warum werden bloss immer nur Sachen weggelassen, die entscheidend die Qualität offenlegen könnten und die für den Leser wichtig wären?
Kommen wir nochmal auf das Heft CanonFoto zurück. Führen sie den Leser durch falsche Versprechungen z.B. in der Einleitung "auf jeder Seite mehrere Tipps" usw. bewusst hinters Licht?
Naja, die haben sich auf halbwahre Werbeslogans eingeschossen und begeben sich als Redaktion damit auf ganz dünnes Eis. Wohl in der Hoffnung, dass der Durchschnittsleser es eh nicht so genau nimmt. Hauptsache die neuesten Modelle werden gezeigt. Ansonsten muss es halt nur irgendwie peppig aussehen, zum schnellen Durchblättern halt. Diese hoffentlich immer kleiner werdende Zielgruppe wird da auch gut bedient. Die sollen sich das Heft kaufen, die werden sich auch nie diesen Report durchlesen, insoweit ist es Jacke wie Hose. Aber wenn einer überlegt, ob er sich die EOS 5D II oder 5D III kaufen soll und absolut leer mit dem Test im Heft ausgeht, weil beide völlig identisch bewertet werden, der wird sich schön ärgern, dass er 9,90 Euro in die Tonne getreten hat. Man kann nur hoffen, dass es genügend Canon-Fans gibt, die bei solchen Inhalten die Notbremse ziehen. Wir von Traumflieger.de sagen "Halt stopp, lasst Euch das nicht gefallen!!"
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