Was macht das Fotomagazin "Fototest", wenn es nichts zu testen gibt? Man nimmt einfach Tests aus alten Ausgaben und tut so, als wären sie neu!
So geschehen in der aktuellen Ausgabe Nov/Dez. 2012, wo gleich 6 ganzseitige Tests zu Teleobjektiven 1:1 aus der alten Ausgabe 3/2012 geklont werden. Dabei werden nicht nur alle Testdaten und Wertungspunkte sondern auch der Text und die Beispielbilder unverändert übernommen. Damit sie aktuell aussehen, wird einfach im Wertungskasten die Referenz-Angabe "Ausgabe 3/2012" auf "6/2012" ausgetauscht.
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dreist kopiert: Nur einer von 6 Teleobjektiv-Tests, der aus dem alten Heft 3/2012 unverändert in die neue Ausgabe 6/2012 übernommen wurde. Nur der Wertungsheader wurde von 3/12 auf 6/12 aktualisiert!
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Eine Ausnahme macht das Magazin beim geklonten Test des Canon 400mm/2,8L IS II USM, hier wird die Punktewertung um 1 erhöht. Statt 93,7 werden es jetzt 94,7 Punkte. Man schleust in die ansonsten identische Wertung einfach einen Bonuspunkt ein, der nicht weiter erläutert wird. Sieht doch schonmal fast nach einem ganz neuen Test aus, oder? 
Testsieger im Einzeltest ?
Schlimm auch die generelle Wertungspraxis von Fototest, bei der ständig irgendwelche Testsieger gekürt werden. Das Konzept: es werden einfach kleinste Testgruppen gebildet und schon lässt sich ein Testsieger ausrufen. Oft werden einfach zwei Produkte verglichen, einer wird dann Testsieger.
Unglaublich aber auch, dass manchmal nur ein Produkt vorgestellt wird, das garnicht weiter im Heft mit anderen verglichen wird. Das wird dann auch Testsieger. Der Herausgeber begründet das z.B. in der aktuellen Ausgabe beim Testsieger Sirui M-3204 in der Stativklasse bis 400 Euro: "Mit einer Gesamtwertung von 94,8 Punkten nimmt es Platz 1 in der Bestenliste in der Preiskategorie bis 400 Euro ein. Und darf sich daher Testsieger in einem Einzeltest nennen"
. Klingt zwar ersteinmal nachvollziehbar, wäre da nicht ein paar Seiten vorne ein Testsieger in der 200 Euro-Klasse (Dörr Pro Black 3XL) gekürt worden, der in der Klassen-Gesamtplatzierung eben nicht vorne liegt, sondern nur gegen einen unmittelbaren Heft-Kontrahenten besser aussieht
. Die Foto-Industrie freut sich und kopiert fleissig den Wertungsheader "Testsieger" in ihre Produktwerbung. Und Fototest freut sich, dass ihr Magazin überall mit dem Wertungsheader auftaucht. Nur der Leser und Kaufinteressierte wird hier dreist verschaukelt und dürfte wohl annehmen, dass der Testsieger in einem umfassenden Testfeld ermittelt wurde.
Punktevergabe frei nach Schnauze
Und ja, Schönrednerei ist bei Fototest Strategie: Alle Kameras in der SLR-Mittelklasse (APS-C) schneiden beispielsweise wenigstens mit "sehr gut" oder "super" ab. Ein Super ist halt super und der Leser soll begeistert werden. Warum auch nicht, wenn der Herausgeber A. Landt die Kameras alle toll findet. Aber dann möchte er das bitteschön auch nachvollziehbar begründen. Und da sieht es ganz düster aus.
Wie Punkte vergeben werden, wird z.B. bei der Ausstattung nicht offen gelegt. Beispielweise bekommen Canon-Superteleobjektive - z.B. das Canon 500mm/4,0L IS II - die maximale Punktzahl für die Ausstattung/Lichtstärke (10 Punkte), aber auch ein Sigma 500mm/4,5. Sind sie jetzt beide gleichgut ausgestattet? Natürlich nicht, das Canon bietet vier programmierbare Multifunktionstasten, Fokusspeicher und obendrauf einen Bildstabilisator. All das findet man beim zudem noch lichtschwächeren Sigma nicht; es bekommt aber auch die volle Punktzahl. Nur eines von vielen Beispielen, dass in Fototest die Punktevergabe frei nach Schnauze vorgenommen wird.
Profis mit JPEG verschaukelt
Wie werden eigentlich Kameras bewertet? Dafür gibts immerhin eine Referenzseite "so testen wir Kameras". Was dort fehlt ist nicht nur eine Erläuterung zur Punktevergabe sondern auch, in welchem Bildformat und mit welchen Parametern getestet wird. Wer sich z.B. für eine Profikamera in der 6.000 Euro-Region interessiert, will wissen, wie sie im RAW-Format abschneidet.
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Bildmanipulation für Tier- und Landschaftsfotografen: Erst wird die Frage nach einkopierten Wasserspiegelungen auf einem doppelseitigem Einleitungs-Foto gestellt, dann weiter hinten im Workshop gezeigt, wie es funktioniert. Schön zu wissen, wie jetzt nicht nur Landschafts- sondern auch Tierfotografen ihre Bilder manipulieren können!
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Fototest nutzt aber - wie viele andere Zeitschriften auch - schlicht das JPEG-Format, das viel schlechter auflöst und Details in höheren ISO-Werten glattbügelt. Dass diese kamerainterne Bildaufbereitung höchst problematisch ist, gibt Fototest dann auch selbst zu und schreibt auf Seite 31 "Bei Kameras mit MFT-Sensoren treibt mitunter die offensive kamerainterne Signalaufbereitung die Punktewertung künstlich nach oben"
. Macht man sich klar, dass Fototest hier offen fehlerhafte Kamerawertungen eingesteht, darf man sich auch fragen, wie die Zeitschrift und die Leser damit leben wollen? Problematisch sind übrigens nicht nur MFT-Sensoren (Micro Four Thirds) sondern eben auch die generelle JPEG-Testbasis. Die gilt stillschweigend offenbar auch bei den Objektivtests bis hin zu den Superteleobjektiven in Preisregionen von 10.000 Euro. Welcher Profi nutzt hier schon das JPEG-Format und will darauf beruhende Testberichte lesen? Richtig, niemand!
Naturfotografen zur Bildmanipulation animiert
Und ja, auch die Naturfotografen werden in der aktuellen Ausgabe in Verruf gebracht. Da wird dann doppeltseitig ein Nagetier (Nutria) abgebildet, das vor einer Wasserlache kauert. Ist das Wasser echt oder nur mit Photoshop reinkopiert? Diese Frage stellt die Bildunterschrift und weiter hinten wird gezeigt, wie man Wasser und Spiegelungen mit Photoshop in Bilder einkopiert.
Wieviel Natur bleibt noch übrig, wenn Fototest eine massgebliche Zielgruppe (die der solventen Naturfotografen) zu solchen Praktiken animiert und das mit "Auch in der anspruchsvollen Tier-Fotografie spielt die professionelle Bildbearbeitung eine immer grössere Rolle" begründet? Man ruft die Naturfotografen damit quasi zu dreister Fälschung auf, verschleiert das begrifflich nur etwas.
Traumflieger-Fazit
Fototest zeichnet sich zwar generell durch kompakte und eine grosse Anzahl von Testberichten aus. Aber wenn - wie in der aktuellen Ausgabe - aus alten Heften seitenweise Tests kopiert und als neu dargestellt werden, dann ist das nicht nur unseriös sondern will die Leser offenbar für dumm verkaufen.
Tests, die im JPEG-Format durchgeführt werden, sind zwar Branchenstandard, verschaukeln aber insbesondere die professionelle Zielgruppe des Magazins gehörig. Und laufend Testsieger in Einzeltests oder Zweiergruppen zu küren ist zwar werbewirksam aber mehr als grenzwertig. Zumal hier mit zweierlei Mass gemessen wird, je nachdem wie es grad gefällt.
Willkürlich ist auch die Punktevergabe, Maximal-Wertungen werden offenbar unterschiedlos vergeben, manchmal - je nach Geschmack - die Wertungsreihenfolge nur durch eine kaum signifikante Nachkommastelle verändert.
Wenn dann noch im aktuellen Heft Naturfotografen indirekt zu Bildmanipulationen animiert werden, bringt das einen ganzen Berufsstand in Verruf. Man muss sich offen fragen, wieviel bei Fototest noch echt ist? Viel bleibt da wohl nicht mehr übrig. Geschmacklos gings auch schon in der vorherigen Ausgabe zu!
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