Ausstattung - erster Praxis-Test - Labortest - Direktvergleich zum Canon 35mm / 2 IS STM - Fazit - Technische Daten - Rangliste - Links - Leserkommentare
scharf aber mit Farbsäumen
Tamron SP 35mm / 1,8 Di VC USD im Test
Tamron verspricht mit dem SP 35mm / 1, 8 eine super Performance. So zumindest mit dem Kürzel SP, das der Hersteller dem 35mm/1,8 als Luxus-Prädikat spendiert. Derzeit werden rund 670 Euro fällig. Dafür gibt es Vollformat-Kompatibilität, eine gute Lichtstärke, Wetterschutz und Bildstabilisator. Kann das Objektiv auch im Traumflieger-Test überzeugen?
Ähnlich wie Canon mit der L-Klasse eine besonders luxeriöse Ausstattung zusichert oder Sigma mit der Art-Serie den Künstler in einem wecken will, so hat auch Tamron eine Premium-Edition kreiert und seit Herbst 2015 das SP 35mm / 1,8 platziert. Dem Kürzeln Di ohne Zusatz ist zu entnehmen, dass hier der volle Bildkreis für Vollformat-Sensoren unterstützt wird. Das Objektiv ist für Canon sowie für Nikon verfügbar, für Sony (A-Mount) noch angekündigt.
Haptik und Ausstattung
In der Hand wirkt das Tamron für die gemäßigte Brennweite recht voluminös aber dafür nicht allzu schwer. Tatsächlich hätten wir mehr Gewicht erwartet aber es scheint kaum schwerer, als das relativ leichte Canon 35mm /2,0L IS USM. Nachgemessen bringt es aber mit 477gr doch etwas mehr auf die Waage als das Canon mit 337gr.
Haptisch wirkt das Tamron auf uns durchaus überzeugend, kann uns aber nicht den letzten Kick an Qualitätsanmutung vermitteln, wie wir es etwa idR bei Sigmas Art-Linie empfinden. Das liegt vor allem am etwas lauter schabenden Scharfstellring. Der ist zwar angenehm leichtgängig, schön breit gummiert aber vermittelt doch eine gewisse Dünnwandigkeit, wenn man ihn dreht. Dennoch wirkt das 35mm / SP nicht billig. Der Tubus ist aus Metall und sogar das Bajonett mit einer Gummidichtung versehen. Dazu gibt es eine Scharfstellskalar mit Scharfstelldistanzen. Der Einstellring ist mechanisch übersetzt, so dass man unabhängig von einer Kamerelektronik den Fokus setzen kann. Damit werden Fixfokus-Einstellung etwa im Nacheinsatz begünstigt.
Gut erreichbare Schalter finden sich für den AF-MF-Betrieb sowie für den Bildstabilisator. Im Lieferumfang sind neben einem hochwertigen Schutzdeckel u.a. für die Frontlinse mit Innen-Snap-Mechanismus noch eine Streulichtblende enthalten, die sicher rastet und auch verkehrtherum zum platzsparenden Transport aufgesteckt werden kann.
Eine Beschriftung für den Filterdurchmesser suchen wir vergeblich. Tatsächlich kann ein 67mm-Filter angesetzt werden. Drehen wir am Scharfstellring, dann fährt die vordere Linse etwas heraus, dreht aber nicht mit. In der Praxis dürfte das nicht stören, vermittelt uns aber kein voll integriertes Design.
erster Praxis-Test
Zunächst machen mit einer EOS 5Ds ein paar Schnappschüsse bei Offenblende aus dem Bürofenster im sucherbasierten AF-Betrieb (One-Shot). Die Bilder wirken bei 100%-Ansicht jedoch nicht knackscharf, so richtig können wir nicht abschätzen, wo die Schärfeebene denn zu liegen gekommen ist. Dann ein zweiter Test auf eine sonnenbeschienene Häuserfront. Hier machen wir parallel Vergleiche zum Canon 35mm / 2,0 IS USM. Letzteres zeigt im Prinzip eine ähnliche, durchgehend gute Schärfe bei f2, dafür aber deutlich weniger Farbsäume. Oder anders formuliert: die Farbsäume sind in der etwas kontrastreicheren Umgebung am Tamron unübersehbar. Tatsächlich haben wir hier sogar mit extremeren Eingriffen unter Lightroom am RAW-Format Schwierigkeiten, die Farbsäume vollständig zu eliminieren. Später nehmen wir weniger kontrastreiche Szenen auf und selbst hier laufen uns die chromatischen Aberrationen über den Weg, wenngleich sie sich hier meist vollständig minimieren lassen. Ein Korrekturprofil ist von Adobe derzeit leider noch nicht verfügbar.
Leichte Unschärfen laufen uns im sucherbasierten AF-Betrieb an der 5Ds mehrfach über den Weg aber das ist leider auch am Canon 35mm/2 IS USM und sogar einem Canon 35mm/1,4L II USM der Fall. Auch Sigmas Art-Serie ist davon nicht unberührt. Erst wenn wir den Liveview-AF nutzen, sind wir vor Überraschungen weitgehend gefeit.
Begeistert sind wir allerdings von den Nahbereichsfähigkeiten. Wir können auf rund 5cm von der Frontlinse zum Motiv heranrücken und dann rund 9cm in der Breite formatfüllend ablichten. Die Schärfe kann uns hier sogar schon bei Offenblende überzeugen.
Labor-Test
Im Labor messen wir die Linienauflösung und erreichen an einer EOS 5D II im Schnitt gute 2.034 Linien. Hier sind im äußersten Rand mit 1.492 Linien zwar bei Offenblende Einbußen nachweisbar aber noch auf einem praxistauglichen Niveau. Ein Canon 35mm/2 IS USM schneidet hier sogar noch eine Idee schwächer ab, wenngleich die Performance auf größere Distanz sich von der Auflösung nichts zu geben scheint. Ab f4 läuft dann am Tamron auch der äußerste Randbereich zu einer sehr guten Form auf.
Verzeichnungen fallen praktisch nicht ins Gewicht. Auch die Vignettierung ist mit sehr moderaten 1,4 Blendenstufen bereits bei Offenblende kaum auffällig und verschwindet bei f2,8 fast vollständig. Hier im Testchart sind die chromatischen Aberrationen mit Auflicht und gemäßigten Kontrasten an Kanten mit 5 Pixeln im Randbereich noch normal ausgeprägt. Aber in der Praxis sind dennoch - wie oben beschrieben - deutliche, sphärische Aberrationen zu erwarten!
Direktvergleich Tamron 35mm / 1,8 vs Canon 35mm / 2 IS USM
An der EOS 5Ds lassen wir das Tamron 35mm / 1,8 gegen ein Canon 35mm / 2 IS USM in einer hochkontrastreichen Landschaftszenere antreten. Eingestellt ist das RAW-Format, das wir in Adobe Lightroom im wesentlichen bei Standardeinstellungen zeigen, jedoch haben wir die Lichter etwas abgedunkelt und die Tiefen aufgehellt und leicht nachgeschärft, sonst wäre das Bild insgesamt zu strukturarm. Bei F2 wurde alternativ auch eine CA-Korrektur angewendet, um insbesondere zu prüfen, ob man hier beim Tamron Erfolg hat.
Im Ergebnis fällt die Schärfeleistung alles in allem sehr ähnlich aus. Das Canon zeigt bei Offenblende etwas stärkere Vignettierungen, neigt aber zu geringeren Farbsäumen. Dafür zerstrahlt die Sonne - abgeblendet - nur mit 8 Strahlen und es können punktuell schon einmal Linsenflecken erkennbar werden. Das Tamron neigt zu deutlichen Farbsäumen, punktuelle Linsenflecken sind uns nicht aufgefallen, es können aber etwas flächigere Kontrastminderungen bei direktem Gegenlicht auftreten. Die Sonne zerstrahlt abgeblendet mehrstrahlig mit 18 Strahlen.
Aufnahmeparameter: EOS 5Ds - ISO 100 - f2 (1/8000s) bzw. f8 (1/1250s) - RAW
Entwicklung in Lightroom: Lichter -100, Tiefen +100, Belichtung -0,35, Schärfen Betrag +57 (Radius 1) / bei f2 alternativ CA-Korrektur, Saum enternt - nur Tamron: Sättigung Lila/Magenta selektiv herabgesetzt.
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Fazit
Das Tamron 35mm / 1,8 bietet eine sehr gute Lichtstärke und eine insgesamt überzeugende Auflösung bereits bei Offenblende. Dabei liegt es in der Praxis etwa auf dem guten Niveau eines Canon 35mm /2 IS USM. Ein Canon 35mm / 1,4L II USM bringt hingegen noch einen Kick mehr an Auflösung bereits im Zentrum und auch im Randbereich aber ob man den Unterschied in der Praxis immer sieht bzw. ihn braucht, dürfte eine andere Frage sein. Gegenüber dem Canon 35mm /2 IS USM bringt das Tamron sogar eine geringere Vignettierung bei Offenblende, zeigt dafür aber teils schwer zu eliminierende Farbsäume, was wir als größten Nachteil ansehen. IdR kann man sie aber z.B. in Lightroom im Rahmen einer Farbsaumkorrektur entfernen (siehe auch Direktvergleich zum Canon 35mm / 2 IS USM).
Auch konnte uns der AF-Betrieb nicht immer überzeugen aber mit einer Varianz sind wir an der EOS 5Ds leider auch an den 35mm-Canon-Festbrennweiten konfrontiert, wo sich ein etwas lästiges Tuning via Autofokus-Feinjustierung empfiehlt, wenn man nicht auf den Liveview-AF ausweichen will. Der AF-Antrieb ist zwar am Tamron noch leise aber schon hörbar und etwa langsamer als man es von USM-Antrieben von Canon oder Sigma gewohnt ist. Gemessen haben wir 0,89Sek. von 1m auf Unendlich, während wir hier ansonsten Zeiten um 0,5 Sek. gewohnt sind. Grund sind noch Feinjustierungsschritte, kurz vor der finalen Scharfstellung, die etwas Zeit kosten. An einer Sony A7 II mit Phasenverfahren (ab Firmware 2.0) via Automatik-Adapter kombiniert messen wir 1.09 Sekunden, was noch einen guten Wert darstellt.
Der Bildstabilisator greift hingegen weitgehend verzögerungsfrei und ist mit ca. 4 Blendenstufen effektiv. Haptisch und von der Fertigungsqualität finden wir das Tamron überzeugend wenngleich uns etwa eine Sigma-Art-Linie noch einen Tick mehr begeistern kann. Letztere ist idR dafür auch schwerer.
Als Bonus legt Tamron noch eine Streulichtblende bei und liefert einen Wetterschutz. Die Nahbereichsfähigkeiten sind noch ein Goodie, der den Einsatzbereich erweitert! Auch gelingt die Montage in Retrostellung (z.B. via automatischem Retroadapter), wo dann 1,8cm in der Breite formatfüllend bzw. ein Abbildungsmaßstab von 2:1 abgelichtet werden kann. Dann ist allerdings ein geringer Abstand von 2 - 3cm einzuhalten.
Dank 67mm-Filteranschluss sind nicht nur rel. kostengünstige Grau- bzw. Polfilter einsetzbar, sondern wir können auch eine Snap-Nahlinse wie die Raynox DCR 250 ohne großen Aufwand vorsetzen und dann rund 5,5cm formatfüllend ablichten. Eine Vignettierung ist dabei geringfügig erkennbar aber nicht übermäßig ausgeprägt. Bei der Montage an einem Panoramakopf reichte uns für die Nodalpunktmonatage eine Vertikalschiene von rund 11cm.
Also alles gut? Tja, wäre der Lapsus mit den doch teils stark ausgeprägten Farbsäumen nicht gewesen, hätte es durchaus 4,5 - 5 Sterne in unserer Wertung verdient. So sehen wir einen Stern Abzug, addieren aber der guten Nahbereichsfähigkeiten und des Dichtungsringes wegen wieder einen halben Stern! Richtig klasse ist übrigens auch das Tamron SP 45mm/1,8 Di VC! Eine spannende, günstige und leichtere Alternative ist allerdings auch das Canon 35mm / 2 IS USM, das Sie sich einmal näher ansehen sollten!
- gute Lichtstärke mit f1,8
- gute Auflösung bereits bei Offenblende auch im Randbereich
- hochwertige Ausführung mit Verschalung aus Aluminium
- für die Lichtstärke noch moderates Gewicht
- effektiver Bildstabilisator
- Sonne zerstrahlt abgeblendet mehrarming (mit 18 Strahlen)
- gute Nahbereichsfähigkeiten
- kann in Retrostellung einen Abbildungsmaßstab von 2:1 realisieren
- Dichtungsring am Bajonett
- Distanz-Skala
- geringe Verzeichnung und Vignettierung
- mit 67mm filterfreundlicher Durchmesser
- staubabweisende Fluorit-Vergütung Frontlinse
- Lieferumfang incl. Streulichtblende
- neigt teils zu schwer zu entfernenden chromatischen Aberrationen bei Offenblende (Farblängsfehler bzw. axiale CA's)
- sucherbasierter Autofokusbetrieb an unserer EOS 5Ds nicht immer ganz sicher, könnte etwas schneller sein
- Frontlinse schiebt sich beim Fokussieren etwas heraus (wenngleich dies in der Praxis kaum stört)
Technische Daten
UVP / Straße (Stand 05/2016) |
1.099 EUR / ca. 670 EUR (kaufen hier bei Amazon) |
Markteinführung |
Oktober 2015 |
Gewicht |
480 gr (solo) |
Bajonett |
Canon EF (auch Nikon, Sony A-Mount) |
Brennweite |
35 mm |
Naheinstellgrenze |
20 cm |
Abbildungsmaßstab |
0,4 |
optische Elemente |
10 Linsen in 9 Gruppen (zwei asphärische Linsen, 1 LD und 1XLD-Element) |
Filteranschluss |
67 mm |
Anzahl Lamellen |
9 |
Blendenumfang |
f 1,8 - f 16 |
Bildstabilisierung |
ja |
AF-Motor |
Ultraschall |
Maße |
80,8 x 80,4 mm (Länge x Durchmesser) |
Lieferumfang |
Frontdeckel, Rückdeckel, Streulichtblende |
Besonderheiten |
Staub- und Spritzwasserschutz |
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