Supermakros mit dem Retroadapter

ein Report von Stefan Gross

Mit einem Retroadapter lassen sich extrem vergrösserte Nahaufnahmen an jeder DSLR realisieren. Das ganze zu einem Bruchteil der Anschaffungskosten herkömmlicher Makroobjektive. Der Adapter überzeugt nicht nur durch Abbildungsleistung sondern passt als Leichtgewicht in jede Tasche und kann daher iVm vorhandenen Objektiven vielfach ein herkömmliches Makroobjektiv ersetzen. Wir zeigen Ihnen, was mit dem Retroadapter an der digitalen Spiegelreflexkamera machbar ist und mit welchen Objektiven er zusammenarbeitet.

 

Bildwirkung

Objektive lassen sich nicht nur auf herkömmliche Weise nutzen, indem standardmässig die Frontlinse zum Motiv zeigt und die Rückseite auf die Kamera angesetzt wird. Wird ein Objektiv in Umkehrstellung (Frontlinse zeigt zur Kamera) mit Hilfe eines Retroadapter auf das Kamerabajonett aufgesetzt, so lassen sich erstaunliche Makroaufnahmen erzielen. Diese übertreffen herkömmliche Makroobjektive vom Abbildungsmasstab idR um ein Vielfaches und stecken auch in der Abbildungsqualität nicht zurück.

Wird das Objektiv in Retrostellung mit der Kamera verbunden, dann gilt auch der umgekehrte Fall für die Abbildungsgrösse: je kleiner die Brennweite des Objektivs, umso höhere Vergrösserungsfaktoren sind möglich.

Die Bildwirkung der Umkehrstellung wird anhand eines Käfers (thailändischer Prachtkäfer Chrysochroa buguetii, rund 4 cm gross) an der EOS 30D demonstriert . Klicken Sie für eine grössere Auflösung einmal auf das untere, rechte Bild.

 
"Kitobjektiv" Canon 18-55 in Normalstellung
"Kitobjektiv" via Retroadapter in Umkehrstellung
(Frontlinse zeigt zur Kamera) angesetzt
 

Bildergebnis bei 24mm/Offenblende
 

Bildergebnis in Retrostellung bei 24mm
 

 

 

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Selbstversuch

Bereits ohne Kamera lässt sich der Vergrösserungseffekt eines Objektivs in Umkehrposition austesten, wenn man das Objektiv umdreht und durch die Frontlinse hindurchblickt. Es fungiert jetzt als Lupe und Objekte in einer Entfernung von rund 4 - 10 cm werden stark vergrössert abgebildet. Für erste Versuche lässt sich die Retrostellung auch mit Hilfe einer Buchunterlage oder mit ein paar Gummibändern an die Kamera simulieren und das Objektiv kann so locker mit der Frontlinse zur Kamera zeigend ausgetestet werden; praxisgerechter ist natürlich ein Retroadapter, mit dem das Objektiv fest auf die Kamera angesetzt wird.

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Vergrösserungseffekt

Schaut man direkt in die Frontlinse eines Objektivs, so ist im Verhältnis zum Durchmesser der Frontlinse nur eine kleine kreisrunde Öffnung zu erkennen, durch die das Licht letztlich auf den Bildsensor fällt. Während in Normalposition auch aus den Randbereichen der Frontlinse noch Licht eingesammelt und durch die kleine Öffnung geschleust wird, so beschränkt sich die Retrostellung auf den kleinen Öffnungskreis und verwertet lediglich den eingeschränkten Bildwinkel.

Ausbelichtet wird also lediglich ein kleiner Ausschnitt des Motivs, der jedoch auf die volle Sensorgrösse aufgezogen wird. Das Prinzip ist dabei demjenigen der gecroppten Bildsensoren ähnlich, die durch ihre im Verhältnis zum Kleinbildformat verkleinerte Fläche für eine Bildwinkelverkürzung sorgen und zur sogenannten Brennweitenverlängerung führen (z.B. Brennweitenverlängerung von 1,6 bei APS-C-Sensoren wie der EOS 20D/350D/30D)

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Abbildungsqualität

Die Abbildungsleistung der Objektive in Retrostellung kann mit guten Makroobjektiven locker mithalten oder sie gar übertreffen. Dies mag weniger erstaunen, wenn man sich vor Augen führt, dass die Umkehrstellung lediglich den inneren Bildkreis der Objektive nutzt. Dieser hat erheblich weniger Probleme mit Unschärfen oder Lichtabfall, wie dies für die Randbereiche bei Objektiven in Normalstellung insbesondere für die Offenblende gilt.

Das folgende Beispiel vergleicht die Abbildungsleistung vom vielfach hochgelobten Makroobjektiv Tamron 90mm/2,8 XR DI mit dem Normalobjektiv Tamron 28-75/2,8, wobei letzteres in Retrostellung bei 75mm an die EOS 350D angesetzt wurde. Verglichen wird die Augenpartie eines chinesischen Falters (Loepa oberthuri). Für den Testaufbau wurden Stativ, Spiegelvorauslösung, Fernauslöser, Schärfereihe, RAW-Format genutzt.

 
Makroobjektiv Tamron 90mm/2,8  in Normalstellung
Tamron 28-75/2,8 in Retrostellung
 

Bildergebnis  bei F 5,6
 

Bildergebnis bei F 5,6
 


 

Es zeigt sich, dass die Abbildungsleistung des Tamron 28-75mm in Retrostellung vollauf mit dem Makroobjektiv Tamron 90mm/2,8  mithalten kann. Ähnliche Ergebnisse lassen sich mit dem Canon 18-55 und anderen Objektiven erzielen.

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Vergleich Nahlinse, Zwischenring und Retroadapter

Um mit herkömmlichen Objektiven in den Makrobereich vorzustossen, bietet der Markt auch Zubehör wie Nahlinsen, Zwischenringe oder wirbt von Haus aus mit Makro-Namenszusätzen in der Objektivbezeichnung. So erreicht beispielsweise das weitverbreitete Kitobjektiv Canon EF-S 18-55mm mit einer Nahgrenze von 28cm (Abstand Frontlinse zum Motiv 12 cm) bereits ohne Ergänzungstools fast 50% der Vergrösserungsleistung der 1:1-Makroobjektive. Wer jedoch tiefer in den Mikrokosmos vordringen möchte, hat die Wahl zwischen Nahlinse, Zwischenring oder Retroadapter, so dass wir hier einen Vergleich zeigen.

Ziel dabei ist die maximale Abbildungsgrösse, die mit dem Canon 18-55 anhand eines rund 4cm grossen, malaysischen Käfers (Catoxantha opulenta opulenta, Präparat) möglich ist. Wir nutzen dabei für die ersten 4 Aufnahmen die Brennweite von 55mm und nähern uns bei Offenblende dem Motiv soweit wie möglich:

 


 


 


 

Ergebnis:

Die eingesetzte Nahlinse (Canon 250D) bringt für den Vergrösserungsfaktor nicht allzuviel und zeigt zumindest bei Offenblende leichte Unschärfen. Der 20mm-Zwischenring dringt dagegen schon in den Bereich herkömmlicher Makroobjektive vor und zeigt das Motiv bei einem Abbildungsmasstab von 1:1 in sehr guter Qualität (Achtung, nicht alle Zwischenringe sind zu dem EF-S-Anschluss kompatibel !).

Der Retroadapter (4. Bild) vergrössert bei 55mm noch stärker und zeigt ebenfalls eine sehr gute Abbildungsleistung. Ergänzend zeigen wir in der 5. Aufnahme die Vergrösserungsmöglichkeit des Retroadapters bei 18mm am Kitobjektiv, die hier bei etwa 4:1 liegt.

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Motivdistanz

Um die Fluchtdistanz von lebenden Insekten nicht zu unterschreiten, empfiehlt sich regelmässig eine ausreichend grosse Entfernung zu ihnen. Zudem ist direkt am Motiv nicht immer genügend Platz, um z.B. ein Stativ nah genug zu positionieren. Hier gilt idR also: je weiter weg, umso besser. Erfreulicherweise unterscheiden sich Makroobjektive und die via Retroadapter gekoppelten Normalobjektive praktisch nicht in Bezug auf die Nahgrenze. Im obigen Beispiel lag die Distanz von der Frontlinse zum Falter beim Tamron 90mm/2,8 Makroobjektiv als auch beim Tamron 28-75mm@75mm z.B. gleichermassen bei rund 10cm.

Generell gilt: je kleiner die Brennweite, umso näher muss das Motiv an der Frontlinse positioniert sein. Typische Retro-Entfernungen liegen zwischen 3,5 cm (z.B. bei 18mm) und 10 cm (zwischen 55 und 100mm). Auch Brennweiten oberhalb von 100mm können unserer Erfahrung nach genutzt werden. Hier beträgt z.B. mit dem Canon 70-200mm/2,8 bei 150mm die Entfernung Frontlinse zum Motiv immerhin 40cm. Übrigens geben die Hersteller von Makroobjektiven grundsätzlich die Nahdistanz von der Sensorebene zum Motiv an, die Objektiv-Baulänge ist daher abzuziehen, um auf die tatsächlich nutzbare Distanz Frontlinse - Motiv zu kommen.

Tipp: Nicht immer muss eine grosse Distanz zum Motiv von Vorteil sein, insbesondere, wenn eine spannende Perspektive eingenommen werden soll oder wenig Platz hinter dem Sujet vorhanden ist. Soll beispielsweise die Kamera von schräge unten das Motiv im Makrobereich erfassen, ist eine möglichst geringe Nahdistanz hilfreich.

Ein Vergleichs-Tableau mit Motivdistanzen und erreichbaren Abbildungsgrössen verschiedenster Objektive finden Sie hier

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Der Adapter

Der Retroadapter verbindet die Frontlinse mit dem Kamerabajonett. In der Basisversion verfügt er über 58mm Filterdurchmesser und ist damit z.B. für das "Kitobjektiv" Canon 18-55mm aber auch für Objektive wie das Canon EF 28-105mm sofort einsatzbereit. Über Anpassungsringe können jedoch ganz simpel Objektive mit einem anderen Filterdurchmesser adaptiert werden. Beispielsweise lässt sich das Canon 17-85mm durch einen Anpassungsring auf 67mm oder das Canon 17-40mm durch zwei Anpassungsringe auf 77mm verwenden.

Die Filterdurchmesser der Objektive stehen meist in der Produktaufschrift auf dem Objektiv selbst.

 
Der Adapter
Anpassungsringe
 

Zwischen Kamera und Objektiv sorgt der Retroadapter für die stabile Verbindung
 

Anpassungen auf verschiedene Objektive lassen sich mit Hilfe von Anpassungsringen vornehmen
 

Der Autofokusbetrieb ist bei Verwendung des Retroadapters nicht möglich, da er keine elektrische Verbindung zur Kamera herstellt. Viele Makrofotografen verzichten jedoch auf den Autofokusbetrieb, da er im Makrobereich durch seine Restungenauigkeit nicht immer treffsicher ist und fokussieren manuell. Letztere Möglichkeit bleibt auch mit dem Retroadapter erhalten. Die Blende lässt sich an das Objektiv durch einen Trick übertragen, falls eine höhere als die Offenblende eingestellt werden soll. Mehr dazu erfahren Sie im Workshop zum Retroadapter.

Tipp: Der Retroadapter und Anpassungsringe können im Traumflieger-Shop erworben werden. Dort sind neben den Versionen für Canon auch zwei Varianten für Nikon verfügbar. Hier geht's zum Shop-Angebot.

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Bildbeispiele

Ein paar Bildbeispiele sollen die praktische Arbeit mit dem Retroadapter verdeutlichen. Generell steigen die Anforderungen, je höher der Abbildungsmasstab gewählt wird. Aufnahmen, die über den maximalem Vergrösserungsfaktor klassischer Makroobjekte von 1:1 liegen, lassen sich in Perfektion meist nur mit statischen Motiven unter Studiobedingungen realisieren. Manchmal hat man aber auch draussen Glück und es können bei Windstille und einem ruhigen Insekt extrem vergrösserte Aufnahmen gelingen. IdR ist es jedoch ratsam, nicht stets die höchste Vergrösserungsstufe zu wählen und das Bildergebnis gleich am Kameramonitor zu kontrollieren und ggf. zu wiederholen.

 
Aufnahmesituation mit dem Canon 17-40mm/4,0 L in Retrostellung an der EOS 5D in Venezuela
Aufnahme mit dem Canon 70-200mm/2,8 L USM in Retrostellung an der EOS 5D im Studio. Der Retroadapter wurde mit zwei Anpassungsringen auf die nötigen 77mm erweitert.
 

abgelichtet wurde eine ca. 5mm grosse Springspinne, die auf einer Orchideenblüte in aller Ruhe eine Fliege verspeist
 
fotografiert wurde ein indonesischer Prachtkäfer
 (Präparat) bei f=9,0 und 110mm Brennweite

 



 

 

Links



 

  Leserkommentare:


Derzeit sind hier 173 Kommentare vorhanden:
 

Michael: Ich habe den TF-Retroadapter nun schon ne ganze Weile und komme damit gut zurecht. Ein wie ich finde sehr empfehlenswertes Zubehörteil.
Eine Frage hätte ich jedoch noch: Wie wirkt es sich aus ob man eine Vollformat- oder Crop-Kamera verwendet? (In Bezug auf Vergrößerungsfaktor und Motivdistanz?)
(01.09.2010, 08:45 Uhr)

frank: habe den Retroring auch bestellt,erhalten und an meiner Nikon D5000 ausprobiert.Die Kamera zeigt mir allerdings "kein Objektiv" an. Muss ich noch irgendwelche Einstellungen vornehmen?
(21.04.2010, 18:06 Uhr)

Kai Leder: Sehr hilfreiche Seite!Hat mir sehr geholfen,werde mir sofort ein Adapter besorgen.
Danke,LG Kai
(11.02.2010, 13:10 Uhr)

Istvan: Das ist ein extrem guter Artikel. Danke schön !
(20.11.2009, 22:58 Uhr)

Fotoente: Hallo Ihr Leute!
Mich reizt die Retro-Makro-Geschichte ungemein. Allerdings bin ich keine Canon-Fotografin sondern nutze die Olympus E Serie. Gerne würde ich mir einen Retroadapter für meine Oly´s bestellen. Bin aber noch am zweifeln ob das für die Oly´s so gesund ist? Aber vielleicht liest hier ja noch ein anderer Oly-Nutzer mit und kann mich diesbezüglich beruhigen. Irgendwie habe ich so meine Bedenken, die gewünschte Blende einzustellen, dann die Abblendtaste zu betätigen um dann das Objektiv zu entkoppeln. Habe Bedenken die Elektronik "durcheinander" zu bringen.... Jetzt lacht bestimmt alles Auch bin ich mir nicht so ganz sicher, welches meiner FT-Objektive sich am besten für die Retrostellung eignet??? Nun, als Body habe ich die E3 sowie die E-420 und als Objektive nenne ich mein Eigen das 12 - 60 mm 1:2,8 - 4,0 SWD, das ED 50mm 1:2.0 Makro, das ED 14-42mm 1:3.5-5.6 und das ED 40-150mm 1:4.0-5.6 Welches würdet Ihr in Retrostellung nutzen? Und ist das entkoppeln eines Objektives bei angeschalteter Kamera wirklich unbedenklich? Wäre echt lieb, wenn sich einer meiner Bedenken annimmt oder sogar mit dem E-System diesbezüglich Erfahrung hat! Bin für jeden Tipp dankbar :-)
Grüsse
Fotoente
(15.11.2009, 22:38 Uhr)

: Diese Seite war sehr hilfreich!
Super!
Danke!
(22.09.2009, 20:50 Uhr)

michael: heute habe ich ihn geliefert bekommen. Bin sehr zufrieden, mit makroschlitten und blitz ist das scharfstellen über abstandsänderung des Motivs viel einfacher als das echte fokussieren.

Ist es geplant, einen 49mm ring anzubieten, ich habe da ein altes pentax 28 2,8, das würde ich lieber verwenden als das Kit ?
(03.09.2009, 23:46 Uhr)

sanjai: Mit diesem Adapter habe ich an meiner Kamera einen ziemlichen Schaden angerichtet, da der Adapter im Gewinde der Kamera Eos d5 mark2 hängenblieb und der Stepdown Ring am Objektiv. Niemals wieder ein solches Experiment.
(28.07.2009, 22:47 Uhr)

Stefan_tf: @Dorte: Die Anzeige "00" ist normal, die Blende wird trotzdem im Objektiv gespeichert.

grüsse
Stefan
(12.06.2009, 16:20 Uhr)

Dorte: Halo, habe gerade meinen Retroadapter bekommen. Bei meiner EOS 400D mit Kitobjektiv funktioniert aber die oben erkläret Methode nicht, die Blende umzustellen. Bei Programm AV habe ich Blende 8 eingestellt, dann Abblendtaste und Objektiventriegelung gedrückt und das Kitobjektov abgeschraubt. Sobald ich aber das Kitobjektov abschraube, stellt sich die Blende auf 00. Was kann ich tun?
Beste GRüße
Dorte
(12.06.2009, 11:50 Uhr)

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