Nahlinse oder Makro-Spezialobjektiv ?
Ob
Gewichtseinsparungen oder geringe Anschaffungskosten, eine Nahlinse führt
gegenüber den reinen Makrospezialisten eine Reihe von Vorteilen ins Feld, die
sie höchst attraktiv erscheinen lässt. Nicht wenige Fotografen erleichtern daher
gerne ihre Fototasche, indem Sie der Nahlinse den Vorzug geben.
Doch was ist dran an
der Meinung, dass eine hochvergütete Canon-Nahlinse beispielsweise kombiniert
mit einem L-Objektiv auch qualitativ einem Makroobjektiv das Wasser reichen kann
?
Um diese Frage zu
untersuchen, treten eine Reihe von Objektiven - darunter auch zwei L-Objektive -
gepaart mit den Canon Nahlinsen 250D bzw. 500D gegen das Makroobjektiv Tamron
90mm/2,8 DI Makro 1:1 an. Keine leichte Aufgabe für die Nahlinsen, denn das
Tamron zählt zu den am besten auflösenden Makroobjektiven am Markt
(Schärfetest für Mitglieder
hier)
1. Überblick
Die chromatisch
korrigierten Canon-Nahlinsen sind qualitativ sehr hochwertig und bilden - im
Gegensatz zu kostengünstigeren Alternativnahlinsen - Motive ohne Farbränder ab.
Im Vorteil gegenüber Distanzringen sind sie vor allem dadurch, dass sie keine
Lichtstärke kosten, so dass bewegte Motive weniger unscharf abgelichtet werden
können. Für kleine Brennweiten eignet sich die 250D, etwa ab 150mm Brennweite
ist die Nahlinse 500D mit geringerer Dioptrien-Zahl zu empfehlen, da ansonsten
durch optische Beugungsseffekte die Abbildungsleistung sinkt.
Das Testfeld besteht
aus durchweg hochwertig abbildenden Objektiven - es wird sich im weiteren
Verlauf zeigen, dass hierzu insbesondere im Makrobereich auch das
Kitobjektiv gezählt werden kann.
Der Testaufbau im
Überblick:
Während sich zu kleine Nahlinsen nicht auf grössere Filterdurchmesser anpassen
lassen, so ist der umgekehrte Weg kein Problem, wie hier durch Adapter von 52
auf 58mm beim Canon 50mm/1,8 II
2. Abbildungsmasstäbe und
Mindestdistanz
Das Tamron setzt mit seinem 1:1
Abbildungsmasstab (Motiv wird in der realen Grösse auf den Sensor projiziert)
den für Makroobjektive üblichen Standard. Erreicht wird er durch die extrem
geringe Nahdistanz von 9,5 cm vom Motiv zur Frontlinse. Nicht viel, wenn es
darum geht, beispielsweise ein Insekt grösstmöglich abzulichten, ohne seine
Fluchtdistanz zu unterschreiten. Bei statischen Motiven, die auch im
Naturbereich an Blüten, Blättern und Pilzen zu finden sind, kann das Tamron
jedoch seine volle Grössenabbildungsleistung entfalten.
Mit der einfachen Nahlinse
kombiniert, erreicht keines der übrigen Objektive diesen Abbildungsmasstab.
Einzig das Canon 300mm/4,0 kommt der Grössenabbildung des Tamron mit 1:1,25
recht nahe. Als Vorteil kann das Canon hier die grosse Nahdistanz von 34 cm
gegenüber den 9,5 cm des Tamron verbuchen - so werden Insekten und Kleintiere
weniger gestört.
Welche Wirkungen die Nahlinsen an den
Objektiven haben und wie die Nahgrenze - gemessen wird hier die tatsächlich
nutzbare Entfernung von der Frontlinse zum Motiv - durch sie verringert
wird, zeigt nachfolgende Übersicht anhand eines 1 Cent-Stückes:
Während die
Nahlinse beim 300mm-Objektiv durch knapp vierfache Distanzverringerung fast den
Abbildungsmasstab von 1:1 des Tamrons erreicht, bringt die 250D-Linse am "Kitobjektiv"
Canon 18-55 fast keine Grössenveränderung. Die Abbildungen des 1-Cent-Stückes
sind nicht voll aufgelöst, daher lassen sich hier noch keine Rückschlüsse auf
die Abbildungsqualität ziehen.
(Inkonsistenzen der Grössenrelationen
zur Brennweite können im Nahbereich auftreten, siehe hierzu auch
Brennweitenanomalien)
3. Bildqualität bei Offenblende
Der Offenblende kommt generell ein
grosse Bedeutung zu, da durch sie eine maximale Belichtung auf das Motiv
ermöglicht wird und sich Bewegungs- oder Verwacklungsunschärfen reduzieren
lassen.
Grund genug, sie hier anhand eines plan aufliegenden Briefmarkenmotives
bei voller Auflösung (höchste Jpeg-Stufe, fein) zu untersuchen. Dabei wird
zunächst nur die maximale Vergrösserung der jeweiligen
Objektiv-Nahlinsenkombination verglichen ohne die unterschiedliche
Abbildungsgrösse zu berücksichtigen.
Die Testaufnahmen an der 300 D wurden
für alle Objektive gleichermassen vom Stativ, mittels Fernauslöser und bei
Belichtungszeiten gemacht, die ausserhalb der Verwacklungsgefahr des
Spiegelschlages liegen (<=1/125tel Sek., Details dazu siehe
hier).
Leicht neblig und
unscharf wirken alle Ablichtungen mit Ausnahme der Nahlinsenkombination des Kitobjektives und diejenige vom Tamron.
Ein Grund könnte hier in der Distanzverkürzung durch den Nahlinseneinsatz
vermutet werden (Der Abstand beim Kitobjektiv durch
Nahlinse wird nur um den Faktor 1,6 verkürzt, wohingegen der Faktor z.B. bei den L'er-Objektiven
bei der 3,5fachen Abstandsverkürzung liegt), wie im nächsten Abschnitt gezeigt,
ist die Ursache jedoch in der Offenblende bei Nahlinseneinsatz zu finden.
Weiter zum 2. Teil
|