Verfasst am: 18 Jul 2017 18:11 |
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Erstmal Gratulation zu diesem sehr gut beschriebenen Versuchsaufbau auf beinahe wissenschaftlichem Niveau. Das kriegen nicht viele Leute hin.
Ich versuche mal ein paar
Hypothesen, die Du ggf durch Veränderungen am Versuchsaufbau verifizieren oder falsifizieren kannst.
tom_ktom hat folgendes geschrieben: |
- Maßband auf Tisch ca. 50cm entfernt mit ca. 40° Winkel von oben
- jeweils mit Blende f/1.8 und f/4
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Vermutlich ist Dir folgendes bereits klar:
Das Fokussieren findet immer bei Offenblende statt. Erst kurz vor dem Auslösen geht die Blende ggf kurz zu.
Damit hast Du auch bereits einen (von mehreren) Kandidaten für eine Hypothese: Meridional vs Sagittal-Ebene, siehe
https://de.wikipedia.org/wiki/Sagittalebene_(Optik)
Du kannst das Experiment mit Hilfe der DOF-Taste unten rechts neben dem Bajonett verändern: wenn Du diese Taste gleichzeitig zum Fokussieren drückst, findet das Fokussieren bei der jeweiligen Arbeitsblende (anstatt bei Offenblende) statt.
Ergibt dies einen signifikanten Unterschied, dann wäre die Hypothese vom Einfluss der Blende erhärtet.
Hiervon gäbe noch eine zweite Variante: sehr schlechte (oder auch stark dejustierte) Objektive haben dieses Phänomen sogar inmitten der optischen Achse. Normalerweise ist dieses Phänomen vom Abstand zur optischen Achse abhängig.
Diese zweite Hypothese kannst Du ebenfalls prüfen, indem Du das Motiv (und den Fokus) außerhalb des Zentrum legst. Hat dies einen Einfluss?
tom_ktom hat folgendes geschrieben: |
Wie kann es sein - vor allem in der Live-View, dass ich dort beim Fokusieren ein scharfes Bild genau dort habe, wo ich es will und beim Auslösen die Schärfe weiter nach hinten wandert?
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Wenn das Phänomen nur beim Sucher-Verfahren mittels Phasen-AF aufgetreten wäre, hätte ich eine Dejustierung in der
Kamera vermutet. Da es aber auch beim Kontrast-AF (oder evtl auch Dual-Pixel-AF) auftritt, würde ich die obige Hypothese mit der Verschiebung des Schärfe-Punkts in Abhängigkeit von der Blende bevorzugen.
tom_ktom hat folgendes geschrieben: |
Sollte ich das Objektiv reklamieren?
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Ich vermute, dass dieses 1.8er Objektiv
bauartbedingt zu solchem Verhalten neigt, da es möglicherweise aus Kosten-Gründen auf einem heute veraltetes Linsen-Design (vielleicht aus den 1930er Jahren oder so) basieren könnte.
Erklärungen siehe
http://www.klassik-cameras.de/Biotar.html
Ich habe das Canon 50mm 1.8er einmal in einem *-Markt getestet und mir sind starke Sagittal-Effekte sofort ins Auge gesprungen.
Daher würde ich dieses extrem preiswerte Objektiv nicht kaufen, sondern bei hohen Qualitäts-Ansprüchen an eine 50er Festbrennweite zum Sigma Art raten, das nach dem Retrofokus-Prinzip arbeitet und diese Arten von Verzerrungen viel besser kompensiert.
Falls es aufs Geld ankommt und nur MF benötigt wird: ersteigere bei Ebay ein 50mm 1.4 Auto-Revuenon und einen Adapter von M42 nach EF-Bajonett. Oder ein altes Zeiss-Jena aus den 1970ern oder ähnliches. Es gibt noch viele weitere aus dieser Zeit, die etwas taugen. Sind aber alle nur manuell zu nutzen.
Nachtrag: weitere Hypothesen nur bei Bedarf, weil diese ins Eingemachte gehen würden. Da wollen wir nicht rein wenn es nicht unbedingt sein muss